Kurden auf Irrfahrt geschickt

■ Eine kurdische Familie muss seit zwei Jahren getrennt leben, weil die Behörden nicht helfen. Das zweite Kind ist unterwegs. Jetzt wurde der Vater unnötig zur Fahndung ausgeschrieben

Vor zwei Jahren haben Nasser Rimmo und seine Frau Kauzer Al Zein in der Mevlana-Moschee islamisch geheiratet. Ihr erstes Kind Aischa ist schon ein Jahr alt. Das zweite Kind ist unterwegs. Doch Nasser Rimmo, der anerkannte leibliche Vater von Aischa, bekommt in Bremen bei Frau und Kind keinen legalen Aufenthalt.

„Alle sind gegen uns“, sagt der kurdische Analphabet, der wie seine libanesische Frau des Deutschen kaum mächtig ist. Seit Jahren lebt der Flüchtling im sächsischen Löbau-Zittau, wohin er nach Asylantragstellung „umverteilt“ wurde. Und da wäre er wohl auch noch heute, hätte ihm nicht ein Gynäkologe bescheinigt, dass er in Bremen seiner Frau bei Schwangerschaftsproblemen beistehen müsse. Befristet.

Erst letzte Woche wurde die schriftliche Bitte von Kauzer Al Zein um „Verlegung“ ihres Lebensgefährten nach Bremen erneut abgewiesen. Telefonisch. „Ohne Heirat auf dem Standesamt keine Chance“, habe ein „großer Chef“ im Ausländeramt gesagt, berichtet Nasser Rimmo. Er ist entmutigt. Denn genau da liegt die nächste große Hürde: Schon seit zwei Jahren versuchen er und seine Frau, standesamtlich zu heiraten. Alles würde für sie dadurch leichter. Doch bis heute hapert es an den richtigen Papieren.

Das Problem: Die Eltern von Nasser haben ihren Sohn bei der Geburt offenbar nicht registrieren lassen. Weder im Libanon, wo die Mutter heute noch in Beirut lebt und der Vater begraben liegt, noch etwa in der Türkei. Weswegen Nasser Rimmo auch nie einen Pass bekam – was bis heute nicht nur seine Abschiebung verhindert, sondern eben auch die standesamtliche Eheschließung erschwert. Dass die nicht klappt, hält das Paar wiederum für den Grund der erzwungenen Trennung. Anlass dafür hätten die beiden. Doch sie liegen falsch.

Zwar gab es entsprechende Auskünfte des Ausländeramtes, wonach der Mann erst nach Bremen kommen dürfe, wenn die beiden standesamtlich verheiratet seien. Eine schriftliche Bitte, die die Frau im Januar ans Ausländeramt gerichtet hatte, den Mann nach Bremen „umzuverlegen“, blieb jedoch bis heute unbeantwortet. Erfolglos offenbar, wie die selbe Bitte der Ausländerbeauftragten vor zwei Jahren. Doch jetzt erklärt der Sprecher der Innenbehörde gegenüber der taz: „Herr Rimmo wird in unseren Akten nicht geführt.“ Den Antrag auf Zusammenführung müsse Nasser Rimmo in Löbau-Zittau stellen. In Bremen sei dafür zudem die Sozial- und nicht die Ausländerbehörde zuständig. Dies dem Paar mitzuteilen, geschweige denn es dabei zu unterstützen, hielt jedoch offensichtlich niemand für nötig.

Mehrere tausend Mark haben die beiden Sozialhilfeempfänger derweil ausgegeben für Telefonate ins Ausland, für Übersetzungen und Beglaubigungen angeforderter Dokumente und für die Beschaffung verschiedenster weiterer Papiere. Fast jedem in der Schwieger-Familie schuldet Nasser Rimmo deswegen Geld. Das Hauptproblem war für den Mann, der nirgends registriert zu sein scheint: Er bekam lange keine offizielle Bestätigung, dass er noch nicht verheiratet ist. Ohne Ledigkeitsbescheinigung gibt es aber eine Heirat beim deutschen Standesamt nur unter Ausnahmebedingungen.

Zwar hatte die Familie diesbezüglich Eide abgelegt. „Meine Eltern und zwei Zeugen haben beschworen, dass ich ledig bin“, sagt er. Ein entsprechendes Dokument liegt der taz vor. Doch danach habe das Standesamt eine Bestätigung darüber gewollt, dass Nasser Rimmo auch der richtige Sohn dieser Eltern sei. „Immer kommt etwas neues“, sagt Rimmo.

Der letzte Schlag ins Kontor des heiratswilligen Paares ist nun eine Anzeige des Bremer Standesamtes. Ein Stempel und eine Unterschrift auf einem aus Beirut endlich eingetroffenen Dokument gelten als gefälscht. Das Papier hätte die offiziell geforderte Ledigkeitsbescheinigung überflüssig machen sollen. Verdacht auf Urkundenfälschung lautet der Vorwurf, den die Staatsanwältin nun aufklären muss. Und schon wurde Nasser Rimmo zur Fahndung ausgeschrieben.

Sein Aufenthaltsort sei unbekannt, hieß es zur Begründung dieser Maßnahme. Als plante Nasser Rimmo das Untertauchen – statt der Heirat mit einer Frau, die samt gemeinsamem Kind seit Jahren in Bremen lebt und die die Adresse des Mannes erst kürzlich dem Bremer Ausländeramt mitgeteilt hatte, damit alles schnellstens geregelt würde.

Sogar arbeiten könnte die Frau, wenn der Mann hier wäre. Und so die Sozialkasse entlasten. Eine unbefristete Arbeitserlaubnis und einen unstrittigen Aufenthaltsstatus besitzt sie nämlich. Doch nun hat sich ihr Lebensgefährte erstmal bei der Staatsanwaltschaft gemeldet, um die Fahndungsmeldung aus der Welt zu schaffen. Dann muss er wieder nach Sachsen, wo ihn die Polizei wegen des Stempels vernehmen will Dass es mit dem standesamtlichen Heiraten etwas wird, bevor das zweite Kind der Familie im September zur Welt kommt, glaubt Nasser Rimmo nicht mehr. „Aber wir wollen wenigstens zusammen leben“, sagt er in holprigem Deutsch. ede