„Die Sportstadt wird leben“

Sportsenator Klaus Böger (SPD) muss Einsparungen hinnehmen, sieht aber den Spitzen- und Breitensport nicht gefährdet. Bäder sollen mit flexiblen Preisen öffnen und privat betrieben werden

Interview ROLF LAUTENSCHLÄGER
und RICHARD ROTHER

taz: Herr Böger, die Kirch-Mediagruppe steht vor der Pleite. Es soll Verhandlungen geben über Bürgschaften, die der Bund und die Länder für den Deutschen Fußballbund übernehmen sollen, falls Kirch in Konkurs geht. Ist Berlin dabei?

Klaus Böger: Es gibt solche Verhandlungen nicht. Ich meine, in Gläubigerfragen steht Berlin wegen der finanziell angespannten Lage nicht an vorderster Front. Marktlagen gelten immer in beide Richtungen.

Genau wegen der leeren Kassen werden in der Hauptstadt auch die Mittel für den Sport deutlich gesenkt. Statt 12,6 Millionen Euro kriegt die Körperkultur nur noch 10 Millionen Euro. Ist damit nicht der Ruf Berlins als Sportstadt ruiniert?

Ohne Frage ist der Sport vom Sparen nicht ausgenommen. Man kann aber nicht einfach die Sportausgaben Berlins etwa mit denen Hamburgs vergleichen. Bei uns ist auch ein einmaliger Zuschuss für das Olympiastadion dabei. Die jetzigen Kürzungen sind aber geringer als ursprünglich geplant. Wir haben die Sicherheit, zwei Jahre lang mit einem Grundetat von 10 Millionen Euro zu leben. Die Sportstadt bleibt und wird weiter leben.

Von 20 derzeit geförderten Sportarten soll es 8 nicht mehr geben, darunter beispielsweise Turnen und Wasserball. Müssen wir in Zukunft auf erfolgreiche Berliner Turner oder die Spandauer Wasserballer verzichten?

Nein. Die Spandauer und auch der Turnsport werden weiter gefördert. Allerdings wird es die eine oder andere Veranstaltung nicht mehr geben, die 2002 und 2003 stattfinden sollte und die jetzt durch eine Ausfallbürgschaft oder durch das Land Berlin nicht mehr gesichert werden kann.

Was wird aus der Attraktivität des deutschen Spitzensportes, wenn in der Haupt- und Sportstadt Berlin Spitzensportveranstaltungen nicht mehr stattfinden können?

Wenn alle deutschen Bundesländer drei Schulsportstunden in der Woche hätten, so viel für die Förderung des Spitzensportes täten und so viel an Sportspezialschulen finanzieren würden wie Berlin, dann wäre der Breiten- und der Spitzensport in der Bundesrepublik weiter. Wir dürfen nicht den Irrtum begehen, zu glauben, dass die Sportstadt ausschließlich und primär existiert über die Zuschüsse des Landes. Es gibt hervorragende Events, die ohne Förderung auskommen, zum Beispiel der Berlin-Marathon. Wir haben bekannte Bundesligavereine in der Stadt. Das sind Wirtschaftsunternehmen, die von uns zu Recht vernünftige Rahmenbedingungen erwarten können, die sich aber dennoch am Markt halten müssen.

Aber den kleinen Vereinen, die sich nicht am Markt halten können, wird zudem das Wasser abgegraben.

Nein. Ich bin stolz darauf, dass es uns gelungen ist, die kostenlose Nutzung von Sportstätten durchzusetzen. Viele andere Städte haben das überhaupt nicht. In Berlin gibt es keinerlei Nutzungsgebühr für Schwimmhallen, Sporthallen und sonstige Einrichtungen. Wir werden auch weiterhin die kleineren Sportarten unterstützen, die eben nicht den großen Zulauf über Fernseheinnahmen haben. Zudem haben wir den Spielbanketat für den Sport erhalten. Damit können wir Klubs vom Damenhandball bis Tischtennis, vom Hockey bis Wasserball fördern.

Für den Breitensport sind die öffentlichen Schwimmhallen von großer Bedeutung. Die Bäderbetriebe haben Preiserhöhungen und die Schließung von Bädern beschlossen. Ist damit das Ende der Fahnenstange erreicht?

Die Bäderbetriebe sind in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Lage. Ich glaube, dass wir sie nun, mit einer Schließung von Standorten und mit einer Preiserhöhung, wirtschaftlich vernünftig führen können. Das eigentliche unternehmerische Ziel ist, die Bäderbetriebe so umzugestalten, dass der Staat die Infrastruktur bietet und der Betrieb über Pächter läuft. Das hätte auch eine größere Kundenorientierung zur Folge. Oder können Sie mir erklären, warum jetzt an einem Samstagvormittag das Prunkstück in Berlin, das Bad an der Landsberger Allee, geschlossen ist?

Sie sind Aufsichtsratsvorsitzender der Bäderbetriebe …

Wir geben nach wie vor fast 40 Millionen Euro für die Bäder aus. Da kann ich verlangen, dass sich diese nach einer unternehmerischen Vision entwickeln. Es soll eine Infrastruktur-GmbH gegründet werden, die eine Struktur aufbaut, die auch für einen privaten Betreiber interessant ist. Er kann seinen Unternehmerlohn dann darüber beziehen, dass er sich beispielsweise durch Saunen, Sonnenbänke, Gastronomien finanziert. Die öffentliche Hand muss hingegen aus gesellschaftspolitischen Gründen das eigentliche Schwimmen zu erträglichen Preisen ermöglichen.

Wie wär’s mit flexiblen Eintrittspreisen? Könnten Sie sich vorstellen, dass abends, wenn die Nachfrage steigt, noch höhere Preise verlangt werden?

Wir haben bei den Eintrittspreisen jetzt ein Limit erreicht. Aber ich möchte eine Anregung geben: Warum kann man nicht vormittags günstigere Tarife anbieten, um die Leute ins Bad zu locken. Schließlich hat jedes Schwimmbad eine Grundlast zu finanzieren, ob einer schwimmt oder nicht. Man muss flexible Modelle prüfen. Auch die Saunapreise können sich unterscheiden. In einer exzellenten, neuen Sauna müssen andere Preise genommen werden als in einer alten. Die Preise müssen der Marktlage entsprechen. Es gibt keine Pflicht des Staates, das Schwitzen zu subventionieren.