Die echten Helden mauern mörderisch

Bayer Leverkusen verliert beim FC Liverpool mit 0:1 und scheitert mehr an sich selbst als am Abwehrblock der Briten

LIVERPOOL taz ■ Pathetische Aphorismen wie diesen lieben sie, die Fans des FC Liverpool. „True Heroism“, hatte der von ihnen so verehrte französische Trainer Gerard Houllier vor dem Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen Bayer Leverkusen formuliert, ein wahres Heldentum werde sich gewiss auszahlen. Sie lieben solche Sätze auch dann noch, wenn sich die eingeforderte Übermenschlichkeit selbst an der heimischen Anfield Road nahezu ausschließlich auf eine brachiale Defensivarbeit beschränkt, auf ein substanzraubendes Ablaufen jedes Balles, auf die erbitterte Verteidigung des eigenen Strafraums, die blanke Zerstörung des gegnerischen Spielaufbaus. So wie Mittwochabend, als den deutschen Gästen ein Defensivmonster in Rot gegenüberstand.

„Von der Athletik her sind die Liverpooler hochgezüchtet“, meinte Leverkusens Manager Reiner Calmund nach der 0:1-Niederlage. Houllier fand hingegen nichts dabei. „Wenn man diesen Level erreicht, dann muss die physische Verfassung sich eben auf hohem Niveau bewegen“, sagte er und wars zufrieden: „Wir haben ein sehr gutes Resultat gegen eine sehr gute Mannschaft erzielt.“

Es steht zu vermuten, dass es vor allem der süße Nektar des Sieges ist, von dem die Fans der Reds so gern naschen, ein Saft, der in dieser tristen Gegend wahrlich nicht in Strömen fließt. Und so haben sie, allen voran die auf der legendären Tribüne „Kop Grandstand“, ihre Elf wieder mit ihren atemberaubenden Gesängen angefeuert und ihr so im Dezibelgrenzbereich zu Vorteilen verholfen. Denn ganz offenkundig kamen einige Spieler Leverkusens nicht zurecht mit diesem Schwall der Emotionen. Ein gutes Beispiel war eine Szene in der ersten Hälfte, als Oliver Neuville den Ball führte und ihn, obwohl völlig unbedrängt, in großer Hektik dem Gegner in die Füße spielte. Auch Lucio, Butt und Berbatov waren sichtlich beeindruckt von der Kulisse, konnten ihre Nervosität später freilich ablegen.

Trainer Klaus Toppmöller, der seine Mannschaft darauf gut vorbereitet wähnte, korrigierte sich hinterher. Er machte vor allem die Angst vor einem Konter-Debakel wie vier Wochen zuvor bei Arsenal London für die unruhige, unpräzise Spielweise einige seiner Akteure verantwortlich. Ausgenommen „das dumme Tor kurz vor der Halbzeit“, als Placente einen Eckball unterlaufen hatte und Michael Owen quer zum einschussbereiten Sami Hyppiä passen konnte, sah sich Toppmöller in der Pflicht, die Mannschaft zu loben, denn „sie hat hier sehr gut agiert und wenig Chancen zugelassen“. In der Pause indes musste er seinen Schützlingen lauthals erklären, dass „die auch nur mit elf Mann auf dem Platz stehen“. Mit der zweiten Halbzeit war er dann weitgehend einverstanden, zumal seine Mannschaft sein defensives 4-5-1-System stur befolgte und nicht in befürchteten Harakirifußball verfiel. Keiner seiner Akteure, so Toppmöller, habe vergessen, „dass Liverpool das vorentscheidende 2:0 schießen wollte“.

Und dennoch sollte ihn das beunruhigen, was Teile seiner sonst so erfolgreichen Offensiv-Abteilung in Liverpool zeigte. So bot Zé Roberto, in dieser Saison ansonsten der König der Vorlagen, auf der linken Seite eine eher schwache Leistung, trat ohne das gewohnt große Selbstbewusstsein auf, ließ sich zu schnell den Schneid abkaufen und ging fortan fast jedem Zweikampf aus dem Wege. Und auch Ballack, dem der Ball bei der einzigen ernsthaften Chance Leverkusens in der 67. Minute über den Schlappen rutschte, ging ziemlich unter. Lediglich Bastürk und Schneider zeigten ihre in diesen Wochen starke Form.

„Wir wussten vorher, dass die Luft dünner wird unter den letzten acht“, sagte Toppmöller, „wir sind das erste Mal richtig dabei, da kann man keine Wunderdinge von uns erwarten“. Er zieht trotz des „gefährlichen Ergebnisses“ von Liverpool großen Optimismus aus den Heimsiegen gegen La Coruña, Barcelona und Turin, auch wenn Liverpool im Rückspiel „wieder mit acht oder neun Mann hinter dem Ball stehen wird“. Ob sein Team diese Fußballinterpretation überwinden kann? Toppmöller ist sich da sicher: „Wir werden zu Tormöglichkeiten kommen.“

Also mindestens zu zwei. Das wären doppelt so viele wie in Anfield. ERIK EGGERS