Kampf gegen Armut nur halbherzig

Kirchen kritisieren, die Regierung setze ihren Aktionsplan zur Halbierung der Armut nicht um. Der Plan sei zwar gut, aber es fehle an Geld für das Entwicklungsministerium. Auch die 90 Mio. Euro für den extra geschaffenen Arbeitsstab seien zu wenig

aus Berlin KATHARINA KOUFEN

Die deutsche Entwicklungspolitik tut nach wie vor zu wenig, um die weltweite Armut zu bekämpfen. Zu diesem Fazit kommen die Kirchen in einer Zwischenbilanz, die sie gestern in Berlin vorstellten – auf den Tag genau ein Jahr, nachdem die Bundesregierung ihr Aktionsprogramm zur Halbierung der extremen Armut bis 2015 verabschiedet hat. Extrem arm sind derzeit etwa 1,2 Milliarden Menschen, die mit weniger als einem Dollar täglich leben müssen.

Die Kirchen hätten das Programm damals begrüßt, sagte Karl Jüsten, der Vorsitzender der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE). Doch verlange der künftige Erfolg des Vorhabens „deutlich mehr, als bisher geschehen ist“. Jüsten: „Das BMZ ist uns den Umsetzungsplan zum Aktionsprogramm bisher schuldig geblieben.“ Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist mittlerweile für das Programm zuständig, nachdem zunächst der Kanzler selbst sich 2000 auf dem Milleniumsgipfel in New York für die Armutsbekämpfung stark gemacht hatte. Einige Entwicklungsverbände fürchteten dadurch eine Abwertung des Programms. Die Kirchen jedoch freuen sich über „eine deutliche Stärkung des Ressorts“. Diese helfe vielleicht zu verhindern, dass das BMZ nach der nächsten Wahl dem Auswärtigen Amt zugeschlagen werde. Solche Pläne werden derzeit in der Opposition diskutiert.

Die Kirchen fürchten, dass die Regierung ihr 2015-Ziel vor allem deshalb verfehlt, weil Geld fehlt. „Das Programm wird nicht zum Nulltarif zu haben sein“, so Jüsten. Der Haushalt des Ministeriums müsse „deutlich angehoben“ werden. In der Tat ist nicht einmal die kürzlich beschlossene Erhöhung des Etats von 0,27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf die EU-Untergrenze von 0,33 Prozent in trockenen Tüchern: Die Haushaltskonsolidierung des Bundeshaushalts habe Vorrang, wird der Finanzminister nicht müde zu betonen.

So hat das BMZ für seinen Arbeitsstab zur Armutsbekämpfung zunächst 90 Millionen Euro vorgesehen. „Diese Summe wird den Aufgaben nicht gerecht“, meint die GKKE. Denn die sind zahlreich: Der Arbeitsstab soll dafür sorgen, dass die Politik aller Ministerien auf ihre entwicklungspolitische Wirkung überprüft wird. Etwa wenn es darum geht, dass überschüssiges Rindfleisch nach Nordkorea exportiert wird. Oder um eine Exportbürgschaft für die Siemens AG, die einen Staudamm in Indien baut. Auch soll der Stab die Entwicklungshilfe der einzelnen Geberländer, aber auch der EU und privater Organisationen koordinieren. Durch bessere Absprache erhofft man sich im BMZ einen effizienteren Einsatz der Mittel. Ausserdem sind aus dem Topf des Arbeitsstabs bisher Pilotprojekte in vier Schwerpunktländern finanziert worden, mit denen die Armut bekämpft werden soll – in Übereinstimmung mit dem Aktionsplan: Die Grundschulbildung in Mosambique, in Vietnam und im Jemen sowie die Arbeit bolivianischer Verbände, die einen eigenene Plan zur Bekämpfung der Armut erarbeiten sollen.