Auch Attac strafft und rationalisiert

Die GlobalisierungskritikerInnen von Attac bedienen sich der Mittel ihrer Gegner: Sie ziehen in die Stadt des Großkapitals, schaffen feste Stellen und verlässliche Strukturen. Ein neues Programm soll das Netzwerk popularisieren und öffnen

von HEIDE OESTREICH

Es wird eng für Attac. Das Netzwerk, seit einigen Jahren Magnet für GlobalisierungskritikerInnen aller Art, zählt in Deutschland mittlerweile über 5.000 Mitglieder – eine Verzehnfachung seit dem vergangenen Sommer. Nun hat das Bündnis, dessen Büro im niedersächsischen Verden schon seit geraumer Zeit aus allen Nähten platzt, die Konsequenzen gezogen. Das Hauptquartier soll nach Frankfurt am Main umziehen.

Drei ehrenamtliche Organisatoren werden beim Umzug durch fest angestellte MitarbeiterInnen ersetzt – die Stellenausschreibung für den oder die PressesprecherIn steht bereits auf der Website: „gute grundlegende Kenntnisse der Globalisierungsproblematik“ sind Voraussetzung. Und es gibt noch eine Reorganisation: Zum nächsten „Ratschlag“ sollen vor allem Delegierte aus Organisationen und Gruppen, die Attac angehören – und nicht mehr alle, die sich berufen fühlen. Der Ratschlag ist die Mitgliederversammlung von Attac, die nächste findet Ende Mai in Frankfurt statt.

Felix Kolb, der Sprecher des Netzwerks, meint, es sei seit langem klar gewesen, dass Attac in eine größere Stadt ziehen müsse. Dort sei es leichter, professionelle Bewerber für die Arbeit zu finden. Man habe sich aber bewußt gegen Berlin und für Frankfurt entschieden. Die Erfahrung einzelner Mitgliedsorganisationen habe gezeigt, dass Mitarbeiter sich in der Hauptstadt immer stärker an den Regierungsapparat annäherten. „Wir wollen keine NGO mit professionellem Lobbying im Bundestag werden“, sagt Kolb, „sondern wir wollen den Druck der Strasse organisieren.“ Zudem sei Frankfurt, die „Hauptstadt der Banken“, die richtige Adresse für GlobalisierungskritikerInnen.

Das Delegiertenprinzip, das die Organisation in Zukunft anwenden will, sei im Vergleich etwa zur französischen Attac-Struktur immer noch sehr basisorientiert, betonte Kolb. In Frankreich etwa haben die Gründungsorganisationen mehr Einfluß als die Basisgruppen vor Ort. In Deutschland sollen Organisationen und Gruppen gleich gewichtet werden. Beim Konsensprinzip für anstehende Entscheidungen allerdings wird es bleiben: „Man kann nicht den Anspruch haben, ein Bewegung zu vernetzen, und dann Teile der Bewegung einfach überstimmen“, stellte Kolb klar.

Auch ihr Grundsatzpapier hat Attac-Deutschland überarbeitet: Hieß es in der vielfach unterzeichneten Attac-Erklärung bisher vor allem im Finanzerdeutsch, man fordere etwa die Tobinsteuer, das Verbot von Hedge-Fonds und spekulativen Derivaten, so will man künftig das Attac-Spektrum popularisieren und erweitern. Also werden nun neben den finanzpolitischen Interventionen auch die „grundlegende demokratische Umgestaltung und politische Neuorientierung von IWF, Weltbank und WTO“ gefordert. Oder die „Beendigung des neoliberalen Strukturanpassungsdiktats“ – alte Bekannte hält Attac offenbar für besser verständlich.