Keine Angst vorm schwarzen Mann

SPD will sich nicht auf Stoiber, sonder auf sich selbst konzentrieren. Mitgliederbefragung für Wahlprogramm

BERLIN taz ■ Franz Müntefering wirkte gestern ein wenig ratlos, als er vom neuen Stoiber-Plakat hörte, das den Titel „Kantig. Echt. Erfolgreich“ trägt. „Kantig? Kann ich bei Stoiber nicht erkennen“, beschied der SPD-Generalsekretär. Genauso wenig fiel ihm zu „echt“ ein. Stoiber mache doch nur eine „Schminkkur“: Ihm sei von der Union „Unkenntlichkeit“ verordnet worden nach den ersten verpatzten Auftritten. Und „erfolgreich“? Genüsslich erinnerte Müntefering an die Großpleite des Medienkonzerns von Leo Kirch, der die Förderung der bayerischen Politik genossen hat.

„Feige“ sei der Kanzlerkandidat, würde keine klaren Positionen beziehen. „Erst will er den Kündigungsschutz abschaffen, dann doch nicht.“ Gleiches bei der Ökosteuer. „Wenn Stoiber sich versteckt, warum soll ich ihn dann attackieren?“, fragte Müntefering gestern nur noch rhetorisch. Die Kernbotschaft des SPD-Generalsekretärs: Die Sozialdemokraten konzentrieren sich auf sich selbst. Zwar hoffe er „ausdrücklich“, dass die Wähler eine zweite rot-grüne Koalition ermöglichen – aber Wahlkampf mache die SPD „nur für Schröder“. Und das mit einem Wahlprogramm „nur der SPD“.

Endgültig verabschiedet werden soll es auf dem Bundesparteitag Anfang Juni – doch um es vorzubereiten, hat die SPD erstmals in ihrer Parteigeschichte die 750.000 Mitglieder befragt. Zurück kamen nur 30.000 Fragebögen. Müntefering sprach daher fast immer von „Mitgliedern und Funktionären“, als er die Ergebnisse der Befragung gestern vorstellte.

Sie sind nicht besonders überraschend. So interessieren sich die Mitglieder nicht mehr für ideologische Grundsatzdebatten. Auch ist es weitgehend egal, ob sich ihre Partei als „links“ oder „in der Mitte“ definiert – solange Probleme pragmatisch angegangen werden.

Als wichtige Probleme gelten: Arbeitsmarkt, Ausbildung, Rente und Gesundheit. Die EU-Osterweiterung interessiert dagegen kaum. Dafür waren die Befragten sehr für den Frieden – wozu allerdings nicht ganz passt, dass sich das Interesse für die Außenpolitik nur im Mittelfeld bewegt.

Auch Politikinstrumente wurden abgefragt. So wollen fast 50 Prozent der SPD-Mitglieder die Leistungen für Arbeitslose kürzen, die sich nicht aktiv um einen neuen Job bemühen. Allerdings riet Müntefering riet gestern von einer weiteren „Instrumentendiskussion“ ab. Damit spielte er auf die kontroverse Debatte über die Arbeitslosen- und Sozialhilfe an. Die SPD solle sich lieber über „Ziele“ verständigen. Aber hat sie die nicht schon? Die Mitglieder jedenfalls mögen den Wahlkampfslogan von 1998 immer noch. Er hieß „Innovation und Gerechtigkeit“.

ULRIKE HERRMANN

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