Schmuddeln macht Spaß

Zwischen Glorienschein und Guerillataktik: Union und SPD erproben in diesem Wahlkampf das „negative campaigning“

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Peinlich berührt? Verlegen? Nicht die Spur. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sieht keinen Grund, sich für das Wahlkampfdrehbuch aus seiner Parteizentrale zu verstecken – obwohl dort ausdrücklich auch die Herabsetzung des politischen Gegners vorgesehen ist. „Wir werden die Angriffskampagne gegen die Bundesregierung fortsetzen“, sagte Meyer gestern der taz. Das demonstrative Bekenntnis des Generalsekretärs ist Teil des großen Wahlkampfspiels zwischen Union und SPD – und dem „negative campaigning“ kommt darin besondere Bedeutung zu.

So hat sich die SPD-Kampa längst auf Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber eingeschossen. Insbesondere auf der Website www.nicht-regierungsfaehig.de wird täglich gegen den Bayern gezielt. Zur aktuellen Lieblingslektüre von Kampa-Chef Matthias Machnig zählt das neue Werk von James Carville und Paul Begala. „Wir lieben ‚negative campaigning‘ “, bekennen die Veteranen der Wahlkämpfe von Bill Clinton und haben dem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet, Titel: „Kick Ass“ Das „Arschtreten“ empfehle sich, weil Wähler wie Presse den direkten Angriff schätzten.

Hierzulande sind die Wähler empfindlicher – und Parteien müssen den Ruch vermeiden, eine Schmuddelkampagne zu betreiben. SPD wie CDU wechseln deshalb zwischen Glorienschein und Guerillataktik ab. So zeigt das erste gemeinsame Plakatmotiv von CDU und CSU, das Meyer und sein CSU-Kollege Thomas Goppel gestern vorstellten, den eigenen Kandidaten in vollem Glanze, Slogan: „Kantig. Echt. Erfolgreich.“

Gleichzeitig macht der CDU-Generalsekretär keinen Hehl daraus, dass als nächstes ein Angriff geplant ist: Die Union werde eine Kampagne zu den neun Versprechen Gerhard Schröders machen, mit denen dieser 1998 aus der Opposition heraus Kanzler wurde. Die Botschaft hat Meyer schon im Kopf: „Versprochen – gebrochen, das ist das Kennzeichen dieser Bundesregierung.“

Im Drehbuch der Stoiber-„Stabsstelle Wahlkampf“, aus dem gestern die Zeit zitierte, wird das Kalkül beschrieben: „Nur wenn es uns gelingt, die rot-grünen Legenden (‚Reformstau auflösen, 1 Million neuer Arbeitsplätze geschaffen‘) grundlegend in Frage zu stellen und die Wahrheit in den Köpfen der Menschen zu verankern, werden wir als Alternative erfolgreich sein können. Deshalb ist auf das ‚negative campaigning‘ und seine infrastrukturelle Unterfütterung größtes Augenmerk zu richten.“

Meist sorgt die Preisgabe vertraulicher Startegien für Ärger in Wahlkampfzentralen. Doch diesmal kommt der CDU die Veröffentlichung gelegen. Als Opposition muss sie aus der Defensive in die Offensive kommen – da schadet der Ruf nicht, zu allem entschlossen zu sein. Nur CSU-General Goppel war in das Spiel noch nicht eingeweiht. Statt sich freudig wie Meyer zum Angriff zu bekennen, schob er den Vorwurf des ‚negative campaigning‘ der Gegenseite zu: „Das ist die Kampa-Strategie, die seit Monaten läuft, wir haben damit nichts zu tun“, sagte Goppel der taz. „Da kotzen sich einige aus, weil sie mit der eigenen Politik nicht zufrieden sind.“