Besuch für Jassir Arafat

US-Unterhändler Anthony Zinni trifft als erster ausländischer Regierungsvertreter seit Beginn der israelischen Blockade den Palästinenserpräsidenten. Besetzung des Westjordanlandes geht trotz UN-Resolution und der neuen US-Initiative weiter

RAMALLAH/BERLIN ap/dpa/taz ■ Inmitten der unvermindert anhaltenden israelischen Offensive ist der US-Gesandte Anthony Zinni gestern mit dem eingeschlossenen palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat zusammengetroffen. Israel hatte die Erlaubnis zu dem Treffen in Arafats Amtssitz in Ramallah erst am Vortag gegeben. Ungeachtet einer erneuten Resolution des Weltsicherheitsrats und der neuen Friedensinitiative der USA setzten die israelischen Streitkräfte ihre Militäraktion fort.

Zinni war der erste ausländische Regierungsvertreter bei dem Palästinenserpräsidenten, seit dieser vor einer Woche durch Israel von der Außenwelt abgeschnitten worden war. Für den gestrigen Abend war nach Angaben eines Arafat-Beraters in Gaza eine weitere Begegnung geplant. Israel hatte die Teilnahme weiterer palästinensischer Politiker an der Begegnung untersagt. Pressevertreter wurden von israelischen Soldaten mit Tränengas daran gehindert, in die Nähe von Arafats Amtssitz zu gelangen.

Die Besetzung der palästinensischen Städte im Westjordanland wurde nach Berichten des israelischen Rundfunks noch beschleunigt. Mit der neuen Initiative der USA könne Israel nicht unter Zeitdruck gesetzt werden, erklärte Innenminister Eli Ischai in Jerusalem. Die USA hätten sich in ihrem Krieg gegen den Terror keine Frist gesetzt, und auch Israel könne nicht auf einen Zeitpunkt verpflichtet werden.

Der UN-Sicherheitsrat forderte Israel in seiner dritten Nahost-Resolution innerhalb eines Monats jedoch zum Rückzug „ohne Verzögerung“ auf. Einstimmig stellten sich die 15 Ratsmitglieder am Donnerstagabend auch hinter die Nahostmission von US-Außenminister Colin Powell in der kommenden Woche. Gestern führte Powell bereits ein Telefongespräch mit Arafat.

Bei heftigen Auseinandersetzungen in Nablus wurden gestern nach palästinensischen Angaben mindestens 14 Personen getötet. Auf der Suche nach mutmaßlichen Extremisten zogen Soldaten in Nablus und im Flüchtlingslager Dschenin von Haus zu Haus, wie Bewohner mitteilten. Der israelische Rundfunk meldete aus Bethlehem, man habe nahe der Geburtskirche die Leichen von acht Palästinensern gefunden. Die Körper wiesen Zeichen schwerer Gewaltanwendung auf. In der Geburtskirche harrten weiterhin über einhundert von der israelischen Armee umzingelte Palästinenser aus, darunter auch bewaffnete Kämpfer. Aus dem Flüchtlingslager Dheische evakuierten europäische Diplomaten mit Erlaubnis Israels rund 50 Ausländer.

Die israelischen Streitkräfte erklärten, insgesamt befänden sich 900 Palästinenser in Haft. Zahlreiche Waffen seien beschlagnahmt worden, darunter 50 Panzerabwehrgranaten, mehrere Bomben, vier Sprengstoffgürtel für Selbstmordanschläge sowie rund 2.000 Gewehre und Pistolen.

Mit der Besetzung von Hebron sind alle größeren Städte im Westjordanland mit Ausnahme von Jericho unter israelischer Kontrolle. In Ramallah, Bethlehem und Tulkarem hob die Armee gestern die Ausgangssperre vorübergehend auf, damit sich die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen konnte.

Sowohl das israelische Außenministerium als auch die palästinensische Führung begrüßten die neue Nahost-Friedensinitiative von US-Präsident George W. Bush. In einer Stellungnahme des palästinensischen Kabinetts hieß es, die Autonomiebehörde akzeptiere die Initiative bedingungslos. Dagegen erklärte Israels Ministerpräsident Ariel Scharon, er sehe keinen Sinn in Verhandlungen, solange der Terror nicht beseitigt sei. KLH

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