Moin Moik: Willkommen in der heilen Welt

■ Die Verifizierung eines Vorurteils: Karl Moik und sein Musikantenstadl in Oldenburg. Immerhin eine logistische Glanzleistung voller Fleisch gewordener Schwiegermutterträume. „Wollen wir den Karl mal überraschen?“

Ja, doch, ich gebe es zu, ich hatte Vorurteile. Wenn es eines gibt, was niemals den Weg in mein CD-Regal finden wird, dann ist es Volksmusik. Wenn es eine Fernsehsendung gibt, die immer sofort weggezappt wird, dann der Musikantenstadl.

Andererseits, irgendwoher muss der langjährige Erfolg ja kommen, immerhin gibts den „Stadl“ samt Moderator Karl Moik seit nunmehr 21 Jahren. Ich hatte also für die Fahrt nach Oldenburg meine Toleranzgrenze extraweit nach oben verschoben und war durchaus bereit, meine Klischeevorstellungen zu revidieren. Musste ich aber nicht.

Schon auf dem Weg zur Weser-Ems-Halle grüßt Strahlemann Moik von jedem Bauzaun, im Foyer dann die richtige Qual der Wahl: Fernseh-Wastl contra Musi-Regenschirm, Stadl-Kapperle contra Stadl-Kurier, gratis dazu gibts den österreichischen Akzent der Verkäuferin. Willkommen in der heilen Welt. Zwar gibt es jetzt, um drei Uhr nachmittags, nur die öffentliche Generalprobe zu erleben, doch dank der einigermaßen zahlreich erschienenen Oldenburger lässt sich bereits ahnen, was auf die Flimmerkästen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz abends zukommen wird.

Bereits vor Beginn der eigentlichen Show verdonnert ein dezent sonnenstudiogebräunter Schwiegermuttertraum das – überwiegend aus Schwiegermüttern bestehende – Publikum zu ersten Schunkelübungen („links, rechts, vor, zurück, das macht Spaß, das bringt Glück“) und Gymnastiktraining („Auf und nieder, immer wieder“). Dass der Tonfall von Moiks Stimmungsmacher dabei mehr an einen Kindergartenerzieher erinnert, stört keinen, der Vorschlag, „den Karl mal zu überraschen“ findet allgemeine Zustimmung: Als er (ER!) dann endlich schwankend und eiernd in die Halle geradelt kommt, schallt seinem „Moin Oldenburg“ ein fröhliches „Moin Karl“ entgegen (dabei wäre „Moin Moik“ doch viel schöner gewesen ...).

Was solls. Den Damen und Herren an den langen Biergartentischen gefällts, das Lächeln auf den Gesichtern wird mit jedem Lied seliger, die Hände klatschen fast schon von alleine mit, die Gläser leeren sich. Es ertönt die heißgeliebte Allzweckwaffe Radetzkymarsch, ach ja, das kennt man, da lacht das Herz, ach nein, wie schön. Das Stadl-Ballett tanzt, dass die gestärkten Schürzen fliegen, die Trachtengruppe stampft über das grüne Plastikparkett, Wolfgang Lindners Stadl-Musikanten trompeten deftige Rhythmen. Alles jodelt, jauchzt und schmachtet im Playback. Lisa Del Bo (wer ist das?) darf lange Treppen hinunterschweben, Frans Bauer (ein Holländer!) muss unter einem pinken Neon-Herz singen, die „Stoakogler“ (aha?!) kokettieren in schönstem Steiermärkisch mit ihrer Publikumsnähe. Und ich hätte jetzt gerne eine Bank mit Rückenlehne.

Ohnehin ist es ein bisschen wie beim Fußball: Von der Show sieht man dank Zoom und Nahaufnahmen zu Hause auf dem Sofa mehr. Beim Live-Erlebnis schweift der Blick statt dessen immer öfter über die herumflitzenden Kameras, die gestressten Redakteurinnen und etwas lustlosen Vorklatscher. Tatsächlich ist das größte Ereignis an diesem Nachmittag der logistische Aufwand, den es zu bewundern gibt. Nach einem geheimen Plan schieben Requisiteure pausenlos Strandkörbe, Pappindianer und entzückende rosafarbene Bäumchen hin und her, eilen Kameramänner und Kabelträger durch die breiten Gänge, flammen im Minutentakt andere Scheinwerfer auf. Das Ballett muss hinter den Kulissen pausenlos mit neuen Kostümen beschäftigt sein, die Dekorationsabteilung war ebenfalls nicht geizig. Mit deutlich österreichischem Blick wird Oldenburg schwuppsdiwupps zur maritimen Seestadt stilisiert – Leuchttürmchen, Steuerräder und Fischernetze wohin man auch blickt.

Und mittendrin der wahre Star des Abends, Karl Moik. Beinahe unauffällig läuft er im dunklen Anzug zwischen den Tischen herum, bespricht sich mit seiner Redakteurin, lächelt halbherzig der einen oder anderen Zuschauerin zu, und setzt – ganz Profi – sein breitestes Lächeln auf, sobald das Lämpchen auf der Kamera rot leuchtet. Wer kann da schon widerstehen?

Bodil Elstner