montagskolumne: meinhard rohr zur lage der nation im spiegel seines wissens
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1968, als die Linken, zu denen ich auch leider einmal gehörte, aus den Hörsälen auf die Bolzplätze strömten, war ich nur selten beim Fußball. Schon damals zeigte sich mein unbiegsamer Geist, mein Herz und meine Seele gehörten dem Diskurs. Sicher auch deshalb, weil ich beim leidigen Fußballspiel immer als Letzter ausgewählt wurde, nie Stürmer, Verteidiger oder Mittelläufer sein durfte. Ich musste stets das Tor hüten. Alea iacta est, die Tore sind gefallen, hielt ich dann meinen Mitspielern in ruhiger, gesitteter und gebildeter Art entgegen, wenn sie mich wieder einmal empört bestürmten, weil ich angeblich gedankenverloren einen Ball die Torlinie hatte passieren lassen. Dem war nicht so. Ich war noch nie in Gedanken, und meine Eigentore habe ich bewusst nicht verhindert, um die Angst des Tormanns im Elfenbeinturm zu demonstrieren. Dass der Fußballsport heute zum Kulturgut erhoben wird, zeigt den Niedergang unserer Zeitläufte – ein Resultat der Kulturbolzereien von 1968.

Diese Kolumne erscheint in loser, aber leider häufiger Folge.