Pipi, der Kopfballspezialist

Fußball kann auch in der Lausitz ganz schön lustig sein. Dann nämlich, wenn Geyer und Meyer über die Kirch-Krise reden – und Energie-Torhüter Piplica sich in der Rolle des Pannen-Olli übt

Steil stieg der Ball in den Himmel, noch steiler kam er wieder herunter

aus Cottbus FRANK KETTERER

Wie tief die Krise des Herrn K. den deutschen Fußball bereits befallen hat, offenbarte sich am frühen Samstagabend im Cottbuser Stadion der Freundschaft mit voller Wucht. Der Schneesturm über der eiskalten Lausitz hatte sich längst verzogen, als im wohlig warmen Presseraum endlich die Rede kam auf das Thema der Woche. Die Frage nach den ganz direkten Auswirkungen der drohenden Kirch-Pleite ging gleich an beide Trainer, und nach kurzem Blickkontakt mit seinem Gladbacher Pendant hob schließlich Eduard Geyer zur Antwort an: Über „gar keine Ahnung von diesen Dingen“ verfüge er, gab der Cottbuser Übungsleiter zu, schließlich könne er, Geyer, sich „nicht auch noch da reinhängen und jetzt die Kirch-Gruppe aufmischen“. Wozu im Übrigen auch gar kein Anlass bestehe: „Irgendwie wird es schon weitergehen. Man sollte da nicht so viel reininterpretieren.“

So ganz unkommentiert konnte Hans Meyer Geyers Statement zur Lage freilich nicht stehen lassen. Ihm, dem Gladbacher Trainer, sei nämlich durchaus aufgefallen, dass sich manche Dinge geändert hätten, Dinge wie dieses zum Beispiel: „Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass es hier beim letzten Mal noch belegte Brötchen gab“, sprach Meyer. Dass man ihm diesmal keines offeriert hatte, wertete der bisweilen als kauzig beschriebene Fußballlehrer keineswegs als persönlichen Affront gegen seine Person, sondern eher als erste wie deutliche „Auswirkung der Krise“.

Es ging, Krise hin oder her, also ganz schön lustig zu auf der abschließenden Konferenz im kleinen Presseraum im Stadion der Freundschaft. Und somit schloss das Nachspiel mühelos an an das, was zuvor, kurz vor Spielende, auf dem Rasen zu belachen war, genau gestoppt in Minute 85: Der Gladbacher Witeczek hatte einen Ball von der Strafraumgrenze Richtung Cottbuser Tor getreten, ein Energie-Spieler diesen noch abgefälscht. Das Spielgerät stieg steil und Richtung Tor in den Himmel – und plumpste noch steiler aus diesem wieder herab, allerdings nicht auf die Erde, sonden just auf den Kopf des regungslos in der Mitte seines Kastens verharrenden und in die Luft starrenden Torstehers Piplica. Von dort aus hopste das Leder schließlich zum 3:3-Ausgleich für die Gladbacher in die Maschen.

Es war ein Tor zum Brüllen. Oder eines, das einem vor Entsetzen die Haare zu Berge stellen konnte, je nachdem, ob man Gladbacher, neutraler Beobachter (Brüll!) oder Energie-Anhänger (Haare zu Berge stell!) war. Auf jeden Fall war es ein Tor für das Kuriosenkabinett der Bundesliga, das künftig immer wieder aus den TV-Archiven hervorgekramt werden wird, wenn es darum geht, die Pannen-Ollis dieser Welt vorzuführen. Und wenn das Cottbuser Filmdokument dann über die matte Scheibe flimmert, wird man im Hintergrund auch die Gladbacher Anhängerschaft hören, wie sie ihr „Das war super, das war elegant“ singt und den Unglücksraben mit lautstarken „Piplica, Piplica“-Rufen feiert.

So viel Hohn, darüber war sich der große Rest im Stadion schnell einig, hatte der für Bosnien spielende Kroate, der bisweilen durchaus einen Hang zur Lässigkeit verströmt, allerdings nicht verdient. „Das wünscht man seinem ärgsten Feind nicht“, fand zum Beispiel nicht nur Gladbachs Torsteher Jörg Stiel, auch Ede Geyer, der Nachlässigkeiten jeglicher Art hasst wie die Pest, zeigte ungewohnte Milde – und das, obwohl der Patzer zwei Punkte gekostet hatte und Cottbus mit diesen „einen guten Schritt nach vorn gemacht“ hätte, Richtung endgültigem Klassenerhalt nämlich. Zwar attestierte auch Geyer seinem Torsteher, sich „dumm angestellt“ zu haben bei „diesem gemeinen Gegentreffer“, vergaß im gleichen Atemzug aber nicht, auf die durchweg guten Leistungen Piplicas in den letzten Spielen hinzuweisen. „Er hat uns viele Spiele gerettet. Und er ist von der Stabilität her der Spieler, der am wenigsten Schelte verdient“, erteilte Geyer Absolution. In der Kabine habe er Piplica nach dem Spiel deshalb sogar „wie jedem Spieler die Hand gegeben“. So nett kann Eisen-Ede sein.

An die Rekonstruktion des „verdienten, wenn auch glücklichen Ausgleichs“ hatte sich derweil Kollege Meyer gemacht. „Was hat er sich dabei gedacht? Er hat nichts gedacht. Er hat gedacht, dass er drüber geht“, analysierte Gladbachs Trainer dabei, eine Ahnung, die vom Pechvogel prompt persönlich bestätigt wurde. „Ich habe gedacht, der Ball fällt auf die Latte“, gab Piplica zu. Und weil auch die Energie-Fans ihrem Liebling keinen Strick aus seinem Blackout drehen wollten, sondern ihm zur Aufmunterung sogar kleine Geschenke machten, hatte gen Ende des 30. Spieltags des Torhüters Humor schon wieder die Oberhand gewonnen über den zunächst so tiefen Frust. Autogrammkarten unterschrieb Piplica an diesem Abend mit: „Pipi, der Kopfball-Spezialist.“

FC Energie Cottbus: Piplica - da Silva - Hujdurovic, Beeck - Schröter, Kaluzny, Miriuta, Akrapovic (46. Thielemann), Kobylanski - Topic (76. Matyus), Franklin (59. Helbig)Mönchengladbach: Stiel - Eberl (79. Felgenhauer), Korell, Asanin, Münch - Kluge, Stassin (75. Witeczek), Ulich - Aidoo, van Lent, van Houdt (59. Auer)Zuschauer: 18.450; Tore: 1:0 Topic (31.), 2:0 Kaluzny (34.), 2:1 Asanin (37.), 2:2 Münch (64., Foulelfmeter), 3:2 Kaluzny (70.), 3:3 Piplica (85., Eigentor)