Seniorenbonus für Straftäter

Mit einer Justizreform will Italiens Premier Berlusconi vor allem seine eigene Haut retten. Wird sie Gesetz, könnte sich Berlusconi auch noch seine Richter aussuchen

ROM taz ■ „Sicherheit der Strafe!“, „Harte Hand gegen Verbrecher!“ – mit solchen Parolen gewann das Berlusconi-Bündnis 2001 die Wahlen. Manchmal aber haben sogar Italiens Rechte ein Herz für Kriminelle. Kriminelle im Rentenalter zum Beispiel. Die sollen in Zukunft einen kräftigen Seniorenbonus kriegen.

Das jedenfalls sieht die neueste, von den Regierungsparteien eingebrachte Reform von Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung vor. Wer über 65 ist, dem muss der Richter in Zukunft mildernde Umstände zubilligen. Außerdem haben diese mildernden Umstände schwerer zu wiegen als eventuell erschwerende Umstände. Das ist in Italiens Strafrecht keine Kleinigkeit: Von dieser Abwägung hängt nicht nur das Strafmaß ab, sondern oft auch die Verjährungsfrist. Eine Straftat, die üblicherweise in zehn Jahren verjährt, ist bei Zubilligung mildernder Umstände binnen fünf Jahren erledigt.

Schön für Berlusconi. Der steht in Mailand mit mehreren Rechtsanwälten und Richtern wegen Richterbestechung vor Gericht. Just im letzten Jahr ist der Regierungschef 65 geworden. So wie alle seine Mitangeklagten wäre er dann schon wegen Verjährung freizusprechen.

Eigentlich sollte dieses Reförmchen reichen, um das Verfahren zu erledigen. Berlusconi aber macht keine halben Sachen. So ließ er von seinen im Doppelberuf als Abgeordnete tätigen Anwälten eine weitere Neuerung einbringen. Künftig soll der Verdacht des Angeklagten reichen, um einen Richter als befangen abzulehnen – Berlusconi könnte sich seine Richter aussuchen.

Dass die Richter überhaupt ein unzuverlässiges Volk sind, erklären derweil die Berichterstatter zum neuen Gesetzentwurf ganz offen in ihren Erläuterungstexten. So sieht der Entwurf vor, dass künftig der Großteil der Straftaten – darunter Richterbestechung – nicht mehr allein von Berufsrichtern, sondern von Schwurgerichtskammern verhandelt werden. Dort sitzen zwei Richter sechs Schöffen gegenüber. Damit – so die Abgeordneten der Berlusconi-Koalition – sei die Justiz „dem Volk zurückgegeben“. Und den „roten Roben“ entzogen. Was er von denen hält, tat Berlusconi dieser Tage wieder kund. Er werde keinem Angriff weichen, weder dem Gewerkschaftsprotest noch juristischer Verfolgung noch dem Rote-Brigaden-Terror. Der Vergleich zwischen Mordschützen und Richtern ist kein Ausrutscher. Berlusconis Justizreform sieht auch die Einführung der neuen Straftat „Fehlurteil“ vor. Für die dieses Vergehens schuldig befundenen Richter ist das terrorismuswürdige Höchststrafmaß von 18 Jahren geplant. MICHAEL BRAUN