Demonstration der anderen Art

Mit einem Sit-in wollen junge Beiruter ein Zeichen gegen das Bild vom gewaltbereiten Araber setzen

BEIRUT taz ■ Seit zehn Tagen sitzen Elissar, Maxim, Raida und ungefähr 30 andere junge Libanesen an einer von Beiruts Hauptverkehrsstraßen auf Matratzen unter Plastikplanen. Sie haben Transparente und eine Palästinenserfahne aufgestellt. Sie haben sieben Tage Regenschauer über sich ergehen lassen, nachts auf der feuchten Matratze gefroren, tagsüber die Abgase und den Lärm der vorbeifahrenden Autos ertragen. „Jetzt scheint wenigstens die Sonne“, meint Raida Hatoum, die das Sit-in für Frieden in Nahost mitorganisiert hat. Die meisten sind Studenten oder Mitglieder einer linken Partei. Manche kommen nur für ein paar Stunden. Andere bleiben die ganze Zeit. Touristen kommen vorbei, setzen sich, diskutieren. Ausländische Journalisten waren schon da, sogar das Fernsehen.

„Deshalb sitzen wir hier“, meint die 29-jährige Studentin Elissar Haikal. „Die arabischen Politiker habe ich längst abgeschrieben. An die sende ich keine Botschaft durch mein Sit-in. Aber an Europa und Amerika. Ich hoffe, dass die Menschen dort aufmerksam werden.“ Die Aktivisten wollen mit gewalttätigen Ausschreitungen anderer Demonstrationen nichts zu tun haben. „Wir protestieren friedlich gegen Krieg in Nahost“, sagt die Studentin. „Proteste wie die in Kairo verstärken nur das Bild der gewaltbereiten Araber.“ Doch auch in Beirut gab es gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen demonstrierenden Studenten und der Polizei – natürlich vor der US-Botschaft. Am nächten Tag demonstrierten am gleichen Ort Gewerkschafter – friedlich.

Die Sit-in-Aktivisten entwerfen Petitionen, die sie an Politiker und Botschaften schicken. Sie sammeln Unterschriften. Sie machen ein Happening mit Malaktionen für Kinder aus den Palästinenserlagern, Filmen über die Intifada und Musik. Und sie sind zentrale Anlaufstelle für alle Demonstrationen im Libanon. Das waren viele in den letzten Tagen.

Einzelne Berufsgruppen demonstrierten abwechselnd vor dem UN-Gebäude in Beirut. Neu war: Christen, Muslime und Drusen protestieren gemeinsam. Das ist im Libanon nicht immer so. Normalerweise hält jede politische Partei, jede Splittergruppe einen eigenen Marsch ab. Und wenn die Parteien zu einer gemeinsamen Demonstration aufrufen, dann laufen sie in getrennten Blöcken. Am Freitag ging es wieder einmal typisch libanesisch zu: An einem der bisher größten Demonstrationszüge beteiligten sich 22 Parteien – jede mit eigenen Fahnen, eigenen Slogans. Das Spektrum reichte von „Allah-hu-akbar“-Rufen bis zum Singen kommunistischer Lieder. Der Libanon bleibt in viele kleinen Grüppchen zersplittert, konfessionell wie politisch. Das Auftreten bei Demonstrationen dient auch immer der politischen Selbstdarstellung.

Davon halten die Sit-in-Aktivisten nichts. Sie harren auf dem Matratzenlager aus. „Wir bleiben so lange, bis die israelischen Truppen aus dem Westjordanland abgezogen werden“, meint Raida Hatoum. CHRISTINA FÖRCH