Seehund am Teerhof

■ Was das Meerestier flussaufwärts trieb

Zu spät. Als unsere Fotografin zum Shooting ans Wasser hechtete, ging der Seehund auf Tauchstation. Gestern tummelte sich das knapp zwei Meter lange Tier fernab heimischer Küstengestade in der kleinen Weser am Teerhof. „Dass Seehunde die Flüsse hochschwimmen, kommt öfter mal vor“, kommentiert Walter Schumann von der Seehundaufzucht- und Forschungsstation Norddeich das Naturschauspiel in der Bremer City. Zwar seien Sandbänke die bevorzugten Liegegebiete von Seehunden, doch wenn es voll und der Fisch knapp wird, gehen einzelne Seehunde gern auch mal auf Ent-deckungsreise ins Binnenland. „Anders als allgemein vermutet wird, sind Seehunde nämlich typische Einzelgänger“, erklärt Schumann. Und das auch mal für länger. So gibt's am Teerhof die kommenden Tage noch Hoffnung auf ein Wiedersehen: „Solche Jagdzüge dauern oft zwei bis drei Tage, wenn nicht gar länger“, sagt Schumann.

Auch Rudi Droste, Amtsfischer in Bremen, ist optimistisch und berichtet: „Dem letzten Seehund, den wir am Teerhof gesichtet haben, konnten wir vom Anleger aus fast auf den Kopf steigen, so zahm war der“. Und der Weserfisch lockt. Doch wie sieht es mit dem Fischbestand in Bremen aus? „Schwer zu sagen“, sagt Droste. „Wir haben hier zwar relativ viel Fisch, aber nur wenige Arten, das meiste für Menschen uninteressant“. Michael Schirmer, Hochschullehrer für Gewässer-Ökologie an der Bremer Uni, stimmt zu: „Heute zählen wir in der Unterweser etwa 36 Arten, vorneweg alles, was keine besonderen Ansprüche hat: Karpfen, Barsch, Zander und Flunder“. Es fehlten Maifisch, Lachs und Stör, so Schirmer. Das störe allerdings einen Seehund nicht. „Männchen wie Weibchen gehen auf Wanderschaft. Allerdings schlagen sie sich nur bei guter Witterung in Flüssen den Bauch voll“, erklärt Schirmer.

Sommerzeit, Seehundzeit. Denn im Winter drohe Eis den Rückweg zur Nordsee zu versperren und Hochwasser sorge für Fischen im Trüben, „die finden dann nichts mehr“, so Schirmer. Wenn bei einem Fischzug in der Weser Weibchen auf Männchen trifft, könne es auch zu Paarungen kommen. Die Jungtiere allerdings erblicken an der Küste das Licht der Welt. ds