Heilbringender Urin

■ Lyrik, Poesie, verdammt noch mal: Oma Hans spielen im Schlachthof

Sie sind doch immer noch die Besten, unsere reifen Mitbürger, nicht zuletzt, wenn sie Oma Hans heißen. Die reizende alte Dame dieses Namens trägt deutliche Spuren gelebten Lebens – aus den Vollen natürlich.

Ich frage sie: Was wäre Punkrock ohne Jens Rachut? Anders gesagt: Was ergibt die Reihung „Angeschissen“, „Blumen am Arsch der Hölle“, „Dackelblut“, vielleicht auch „Kommando Sonnenmilch“ und „Oma Hans“? Manche Leute würden sich vor Freude kaum einkriegen, hätten sie nur ein einziges Mal das Fingerspitzengefühl gehabt, ihrer Band einen Namen wie diesen gegeben. Und dann auch noch eine Musik wie diese gespielt zu haben, die zwar (fast immer) Punk und auf Deutsch war, aber nie mit Deutschpunk verwechselt werden konnte.

Jens Rachut war an der Gründung all dieser Bands beteiligt, und wenn wir uns seine Lyrik, ja, verdammt, seine Poesie vor Augen führen, dann liegt der Schluss nahe, dass er ihnen auch die Namen gegeben hat.

Die Lieder seiner neuen Band allein: Mammutjagd in einem steinzeitlichen Sommer, die therapeutische Eignung von Pipi, Eispickel würgen, eine Sorte Stoff, die immer neue Bilder sucht, die jede Heimeligkeit torpediert, zugunsten von Wut, Leidenschaft, schmerzhafter Sehnsucht und musikalischer Seele, im Volksmund auch „Soul“ geheißen.

Die Musik atmet den alten Geist, aber sie atmet eben, anders als bei den ganzen unsäglichen Bewahrern der alten Form. Melodie heißt bei Oma Hans nie Pop, Lärm ist nie Muskelspiel, ihre musikalische Reduktion ist nie stumpf, ihre Stumpfheit nie langweilig.

Andreas Schnell

Oma Hans spielen Donnerstag ab 20 Uhr im Magazinkeller des Schlachthof