„Wir sind nicht streikgeil“

■ 9.000 Metaller machen heute bei Lürssen, Airbus und Daimlerchrysler ein Extra-Päuschen: Zwei Prozent Lohnerhöhung sind der IG Metall zu wenig

Seit heute früh um sechs Uhr dürfte bei „Hydro Aluminium“ in Achim gar nichts mehr gehen. Die Arbeiter wollen warnstreiken – genau wie in 24 anderen Bremer Werken auch. Insgesamt erwartete Dieter Reinken, erster Bevollmächtigter der IG Metall Bremen, für heute bis zu 9.000 Metall-ArbeiterInnen im Ausstand. Die IG Metall Küste hatte für heute zu den Arbeitsniederlegungen aufgerufen.

Hintergrund sind die Tarifverhandlungen, die heute Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen in Hamburg in der vierten Runde fortsetzen. Die IG Metall Küste verlangt für ihre rund 20.000 Beschäftigten in der Metall-Industrie sechseinhalb Prozent mehr Lohn, das Arbeitgeberangebot liegt derzeit bei höchstens zwei Prozent für dieses und das nächste Jahr.

„Die zwei Prozent minus X, die die Arbeitgeber in der letzten Runde am 18. März geboten haben, stoßen auf Hohngelächter“, kommentierte Gewerkschafter Reinken dieses Angebot. „Das erleichtert uns die Mobilisierung in den Betrieben. Wir sind nicht streikgeil, aber mit dem derzeitigen Arbeitgeberangebot können wir uns nicht zufrieden geben.“

Heute morgen um acht Uhr wollten sich die Streikenden der Lürssen-Werft in Lemwerder vor dem Haupttor treffen, die Airbus-Belegschaft vor ihrem Betrieb um halb zehn. Die Metaller vom Daimlerchrysler-Werk wollten nach einer Auftaktkundgebung vor ihren Werkstoren Richtung Hemelinger Markt demonstrieren. Das teilten gestern die Betriebsratsvorsitzenden mit.

Auch in Bremerhaven und Hamburg soll heute die Arbeit für ein paar Stunden unterbrochen werden. In den nächsten Tagen folgen Warnstreiks im ganzen Tarifgebiet Küste. Bereits gestern legten Metaller in Wolgast, Neubrandenburg, Stralsund und Itzehoe die Arbeit zwischenzeitlich nieder.

„Das sind keine Warnstreiks, das sind ja schon Erzwingungsstreiks“, hält Günter Willich von der Arbeitgebervertretung Nordmetall dagegen. „Wir wollen ja verhandeln.“ Es hätten bereits besorgte Kunden aus dem Ausland angefragt, ob sie ihre Zulieferbetriebe wechseln müssten, sagte Willich. „Und wenn die Werften ihre Termine nicht einhalten können, drohen Konventionalstrafen.“ Nordmetall habe ein Angebot gemacht. „Jetzt muss sich die IG Metall bewegen“, forderte der Arbeitgebervertreter.

Die sieht das naturgemäß anders: „Wir sind noch meilenweit von etwas Verhandlungsfähigem entfernt“, meinte IG Metaller Reinken und macht klar: „Wenn wir im April keine Einigung erzielen, wird im Mai richtig gestreikt.“

Bei diesen Tarifverhandlungen geht es aber um noch mehr als „nur“ Lohnerhöhungen: Die Gewerkschaft will das so genannte „Entgeltrahmenabkommen“ (ERA) einführen. Damit soll der Unterschied zwischen dem Lohn von FacharbeiterInnen und dem Gehalt von Angestellten aufgehoben werden. Facharbeiter könnten sich im Laufe ihres Berufslebens finanziell kaum verbessern, das Gehalt von Angestellten dagegen könne wachsen, erläuterte der Mann von der Gewerkschaft. Oft erledigten Arbeiter und Angestellte ähnliche Arbeiten, würden aber unterschiedlich dafür bezahlt. Diese Ungerechtigkeit wolle die Gewerkschaft abschaffen, sagte Dieter Reinken.

Prinzipiell sind die Arbeitgeber damit einverstanden. Jetzt streiten sich IG Metall und Gesamtmetall darum, wie eine neue Entgeltstruktur aussehen kann und wer für die steigenden Lohnkosten aufkommen soll. Eins ist für die IG Metall jedenfalls klar: Wenn das neue Entgeltsystem komme, dürfe niemand schlechter gestellt werden .

Dieses Problem wird IG Metall und Arbeitgebervertreter voraussichtlich noch länger beschäftigen. Zwar setzt sich die Gewerkschaft für eine möglichst zügige Einführung des Entgeltrahmentarifs ein. Nach Vorstellungen der Arbeitgeber kann es aber noch bis zum Jahr 2012 dauern, bis alle MetallarbeiterInnen und -angestellten nach dem gleichen System entlohnt werden. Ulrike Bendrat