Feiern vor dem Schlusspfiff

Tennis Borussia, Berlins politisch korrekter Fußballverein, wird heute 100 Jahre alt. Doch eine Millionenforderung des Finanzamtes vermiest das Fest. Dem Charlottenburger Club droht Insolvenz

von MARKUS MAXIMILIAN POHL

Ein Festakt und ein Gala-Dinner – standesgemäß begeht Tennis Borussia heute auf den Tag genau seinen 100. Geburtstag. Doch den Anhängern des Clubs ist nach Feiern nicht zumute. „Ich würde am liebsten gar nicht hingehen“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Axel Lange.

Denn der 100. Geburtstag des Traditionsclubs könnte der letzte sein: eine Forderung des Finanzamts von rund 1,2 Millionen Euro bedroht den Verein. Der DFB hat den Lizenzantrag der Veilchen für die nächste Saison schon zurückgewiesen, bis zum 15. April muss ein Testat über die Bilanzen nachgereicht werden.

Die wirtschaftlichen Sorgen stammen noch aus jener Zeit Ende der 90er-Jahre, in der sich TeBe zur politisch korrekten Alternative in der miefigen Berliner Fußballszene emporgeschwungen hatte. Sollte man, fragte sich manch linker Fußballfan, etwa Hertha Beifall klatschen, wo im Nazi-Ambiente des Olympiastadions kollektive „Sieg“-Rufe erdröhnen; oder Union, wo in Frakturschrift Eiserne Kameradschaft beschworen wird; oder gar dem mittlerweile zusammengebrochenen BSC Dynamo, wo Hooliganismus und Neonazitum eine schlagkräftige Verbindung eingegangen waren?

Nein, für Linke blieb nur das kleine, aber feine Mommsen-Stadion: Auf dem Platz zauberte die Multi-Kulti-Truppe um Francisco Copado und Bruno Akrapovic; auf den Rängen verbündeten sich liberales Charlottenburger Bürgertum mit dem lila-weißen Antifa-Fanblock. Unvergessen der Schlachtruf „Nie wieder Krieg“, als der gegnerische Karlsruher Stürmer Rainer Krieg ein ums andere Mal das Tor der Veilchen attackierte. Tennis Borussia lag im Spitzenfeld der 2.Bundesliga, und alles war gut. Bis die Berliner Krankheit ausbrach: Größenwahn. Der Vorstand von TeBe rief als Ziel die Teilnahme an der Champions-League aus, für rund vier Millionen Jahresgehalt wurde als Trainer der unsägliche Winfried Schäfer verpflichtet. Doch statt Aufstieg folgte der sportliche Absturz bis in die vierte Liga – und der wirtschaftliche Beinaheruin. Denn die Finanzblasen des Sponsors Göttinger Gruppe platzten.

Die zwielichtigen Finanzjongleure hatten ziellos mehr als 35 Millionen Euro in den Club gepumpt, Spieler und Angestellte mit absurd lukrativen Verträgen ausgestattet. „Wir hatten mehr bezahlte Trainer als Bayern München“, sagt Axel Lange. Als der Erfolg ausblieb, verabschiedeten sich die Göttinger – zurück blieb ein Millionenloch.

Dennoch berappelten sich die Veilchen wieder. Mit Hilfe von Mäzenen konnten die Schulden beglichen werden. Das neue Team ohne Stars und mit einem Durchschnittsalter von 21 Jahren steht aktuell auf dem dritten Tabellenplatz, hofft auf den Aufstieg in die Regionalliga. Doch für die Forderung des Finanzamts ist kein Geld da. „Wir haben Anwälte eingeschaltet“, sagt Lange. Die Göttinger Gruppe soll das Geld bezahlen, denn die Forderung bezieht sich noch auf die Zeit ihres Engagements. Viel Optimismus verbreitet Lange aber nicht: „In den nächsten Tagen geht’s ums Überleben.“