szenen vor gericht
: Mit Haschisch auf Mandantensuche: Anwalt schmuggelte Cannabis plattenweise ins Gefängnis

Juristen unter sich

Der schwungvolle Handel mit Rauschgift, Waffen, Schnaps und allerlei anderen kriminellen Luxusgütern gehört zum Alltag im Gefängnis. Ein lästiges Übel für den Staat, der dadurch seine Autorität mit schöner Beständigkeit untergraben sieht. Gleichzeitig sichert dieses krisensichere Geschäft vielen Menschen ein lukratives Einkommen, weswegen diese kleinkapitalistischen Unternehmungen in der Parallelwelt der Haftanstalten – allen regelmäßig bekundeten Strafandrohungen zum Trotz – munter weiter blühen und gedeihen.

Nur selten kommen einzelne Vergehen ans Licht – Delikte beispielsweise, wie sie der Rechtsanwalt Karl Sch. begangen hat. Am 13. August letzten Jahres haben ihn die Sicherheitsbeamten im Besucherzimmer der Justizvollzugsanstalt Tegel erwischt. Sch. trug drei Plastiktüten bei sich. Darin steckten große Platten aus gepresstem Haschisch, die der Rechtsanwalt für einen Häftling mitgebracht hatte. Sch. hatte sich von diesem Schmuggel neue Mandate für seine müde dahin wirtschaftende Kanzlei erhofft. Bei seiner Vernehmung gestand der kleine, schmächtige Mann zerknittert, auch vorher schon viermal Haschisch in das Männergefängnis geschleust zu haben. Gestern wurde dem 40-jährigen Karl Sch. vor dem Landgericht der Prozess gemacht.

Ein schnelles, schmerzfreies Verfahren. Die Solidarität unter Juristen kann bisweilen zu warmem Wohlwollen anwachsen, wenn ein ehemaliger Kollege auf der Anklagebank sitzt. So als lasse das Scheitern des anderen den eigenen Erfolg ein bisschen heller strahlen.

Mehrere Anwälte haben auf den Zuschauerrängen im Gerichtssaal Platz genommen, die Fragen des Richters sind mitfühlend, das Urteil folgt kurz und knapp: zwei Jahre Bewährungsstrafe für den Rechtsanwalt. Nicht nur seine Reue habe das Gericht milde gestimmt, sondern auch die deprimierende Arbeitssituation, die den Rechtsanwalt überhaupt erst in den Nebenberuf des Haschisch-Schmugglers getrieben hatte.

Tatsächlich hat Karl Sch. bisher kein großes Glück gehabt im Leben. Die Bundeswehr blieb ihm zum Beispiel allein wegen seiner auffallenden Zierlichkeit erspart. „Gewogen und für zu leicht befunden“, meint der Angeklagte gestern leise zum Richter. Er sagt es so, als könne diese Schwäche sein gesamtes Dasein erklären. Die Eltern hatten auf ein Jurastudium bestanden. Ohne große Freude hatte er die Ausbildung in Berlin absolviert, seine Lizenz als Rechtsanwalt erworben und war in einem Büro der Mieterberatung gelandet. Die Geschäfte liefen schlecht. Bald musste Sch. seine Kanzlei in seine Charlottenburger Wohnung verlegen. Zeitweise lebte er von dem Mandat eines einzigen Klienten, dem Gefängnisinsassen H. Und dieser war es auch, der Karl Sch. schließlich zum Haschisch-Schmuggel überredete.

Alles schien plötzlich wunderbar einfach. Ein Bekannter von H. lieferte die Ware in einem Briefumschlag in die Wohnung des Anwalts. Der musste das als „Kraftfutter“ getarnte Haschisch bei seinen Besuchen in Tegel nur verteilen, als Gegenleistung bekam er neue Klienten versprochen. Als Anwalt kam er ohne Kontrolle in das Gefängnis. Und natürlich hatte Sch. nicht damit gerechnet, dass ein anonymer Hinweis das ganze Geschäft auffliegen lassen würde. Sch. selbst habe nichts von dem Haschisch konsumiert, versicherte sein Verteidiger gestern.

Nach der Urteilsverkündung schüttelte Karl Sch. dem Richter die Hand und sagte vor Dankbarkeit triefende Sätze: „Ich habe eine große Dummheit getan. Wegen meiner schlechten finanziellen Lage war ich verführbar.“ Sein feingliedriger Körper füllt das karierte Jackett kaum aus, das er sich für diesen wichtigen Tag angezogen hat. Die Anwaltslizenz hat Sch. längst freiwillig zurückgegeben, er arbeitet nun als Angestellter in einem der zahlreichen Call-Center dieser Stadt.

KIRSTEN KÜPPERS