3,5 MILLIONEN ARBEITSLOSE SIND O.K. – NUR NICHT IM JAHRESDURCHSCHNITT
: Danke, Kanzler, das Wetter wird besser

Die Zahl der Arbeitslosen nimmt ab, und SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder kann sich rechtzeitig zur Bundestagswahl im Herbst dieses Jahres als Rechthaber präsentieren. Hatte die frisch gewählte rot-grüne Regierung doch 1998 als Ziel ausgegeben, die Statistik unter 3,5 Millionen zu drücken. Das könnte nun gelingen: Es ist nicht sehr unwahrscheinlich, dass die Menge der Erwerbslosen jeden Monat um 100.000 schrumpft und zur Wahl da ankommt, wo Schröder sie gerne hätte.

Die gute Weltkonjunktur, auf die der Kanzler seit Amtsantritt spekuliert, wurde durch die Anschläge des 11. September 2001 nur kurz unterbrochen. Auch den New-Economy-Schock und den Aktiencrash des Jahres 2000 hat die Wirtschaft besser als erwartet verdaut. Nun ist das Tal wohl erreicht, und das Wachstum zieht wieder an. Und wie jedes Jahr wird auch 2002 das Wetter im Frühling besser. Gärtnereien, Forstbetriebe, Hoch- und Tiefbaufirmen stellen Leute ein, die sie im Herbst entlassen haben.

Trotzdem kann von einem wirtschaftspolitischen Erfolg der Regierung Schröder keine Rede sein. Wer groß ankündigt, die Erwerbslosigkeit gravierend zu verringern, erweckt die Hoffnung auf eine grundsätzliche Besserung der Lage. Die aber tritt vorerst nicht ein. Der Bundeskanzler hatte die Zahl von 3,5 Millionen als Jahresdurchschnitt definiert. Im Herbst wird sie jedoch allenfalls kurzfristig erreicht, bevor sie wie in jedem Winter erneut ansteigt. Die Bundesanstalt für Arbeit rechnet für dieses und das nächste Jahr denn auch mit durchschnittlich 3,9 Millionen Menschen, die offiziell eine Arbeit suchen. Und dabei sind neue globalwirtschaftliche Risiken – etwa eine Ölverknappung infolge des Nahost-Krieges – noch gar nicht einkalkuliert. Macht nichts. Schröder baut auf die Macht der Zahl. Die urspüngliche Bedeutung des Zieles „3,5 Millionen“ tritt in den Hintergrund.

Obwohl der Kanzler die erzeugten Hoffnungen enttäuschen wird, kann er in der günstigen Situation vor der Bundestagswahl den Eindruck erwecken, als habe er richtig gelegen. Das entwertet die Kritik des Herausforderers, des CDU-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber – so richtig sie auch sein mag. Schröder hat deshalb gute Chancen, den entscheidenden Punkt zu verbuchen: den Erfolg in der öffentlichen Meinung.

Das wird darüber hinwegtäuschen, dass die rot-grüne Wirtschaftspolitik nach nur vier Jahren beinahe so unbeweglich geworden ist wie die Kohl’sche nach 16 Jahren. Was gemacht wird, ist Kosmetik: ein nahezu unwirksames Kombilohnmodell und eine angeblich bessere Vermittlung von Arbeitslosen. Aber auf den Erfolg tatsächlicher Politik kommt es ja auch nicht an. HANNES KOCH