140.100 Arbeitslose weniger

Doch viele von ihnen fanden nicht etwa einen Job, sondern verzichteten auf die Unterstützung des Arbeitsamtes. Das Frühjahr senkt die Arbeitslosenzahlen. Konjunkturbelebung greift erst im Herbst

von HEIDE OESTREICH

Das passte: Kaum verkündet der neue Dynamik-Gerster die Arbeitslosenzahlen, da sinken sie auch schon. Nicht zu sehr, denn schließlich hat Gersters Reformprozess noch gar nicht angefangen, aber schon mal vorbeugend: Im März waren 4,156 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, immerhin 140.100 weniger als im Februar. Bei einer Quote von 8 Prozent im Westen und 18,8 Prozent im Osten ergibt das, dass 10 Prozent aller „Erwerbspersonen“ in Deutschland das Arbeitsamt bemühen.

Das ist hübsch, aber noch nicht viel, wie auch Florian Gerster bei seiner Pressepremiere als Vorstandsvorsitzender der Bundesanstalt für Arbeit gleich einräumte: „Das Ende der Talsohle ist noch nicht erreicht.“ Im Vergleich zum März 2001 etwa stieg die Zahl der Arbeitslosen sogar um 156.400. Damals hatte die Arbeitslosenquote bei 9,8 Prozent gelegen. Saisonbereinigt sind die Zahlen auch im Vergleich zum Februar nicht mehr sensationell: 5.000 Menschen meldeten sich im Westen vom Arbeitsamt ab, 3.000 im Osten.

Obwohl Florian Gerster noch gar keinen Einfluss nehmen konnte, weisen die Zahlen schon auf den neuen Wind hin, der bald durch die Arbeitsämter brausen soll: Niemand soll sich mehr in der Arbeitslosigkeit häuslich einrichten können, ist die Parole, die Arbeitsminister Walter Riester mit der Einführung des Job-Aqtiv-Gesetzes Anfang diesen Jahres ausgab, und die Gerster noch vor Amtsantritt durch markige Vorschläge zu toppen versuchte: So sollte das Arbeitslosengeld nach seiner Vorstellung zeitlich gestaffelt sinken. Wie mit solchen Mitteln auch eine hässliche Arbeitslosenstatistik schöner wird, zeigt sich schon jetzt: Denn die meisten derjenigen, die aus der Arbeitslosenstatistik verschwanden, haben sich, so bekannte Gerster, in die „Nichterwerbstätigkeit“ abgemeldet. Das heißt, sie fanden nicht etwas einen Job, sondern verzichteten auf die weitere Unterstützung des Arbeitsamtes – aus welchem Grund auch immer. „Die Erwerbstätigkeit ist weiter rückläufig“, musste Gerster also zusammenfassen. Dass die Arbeitsämter so wenige Vermittungen meldeten, könnte nach Gerster allerdings auch mit der Überprüfung der Vermittlungsstatistik zusammenhängen: „Die Vermittler verbuchen sicherlich sehr viel vorsichtiger“, gab der BA-Chef zu bedenken.

Dennoch meldeten die VermittlerInnen verhalten Positives: 180.000 Eingliederungsverträge nach dem Job-Aqtiv-Gesetz seien in dessen ersten drei Monaten abgeschlossen worden, „nicht besonders viel, aber auch nicht marginal“, befand ihr Oberchef. 50.000 mal wurden „Dritte“, meist wohl private Arbeitsvermittler eingeschaltet, und zwar bevor die Ämter Vermittlungsgutscheine ausgaben. Seit dem 27. März dürfen sie, wenn sie sich drei Monate lang vergeblich um den Kunden bemüht haben, diesen Gutscheine über ein Vermittlungshonorar von 1.500 bis 2.500 Euro mitgeben, mit denen die Klienten selbst einen privaten Vermittler bezahlen dürfen. Zwischen 10.000 und 20.000 dieser Gutscheine haben die Ämter nach ersten Umfragen in den ersten 14 Tagen ausgegeben.

Mit der leichten Konjunkturbelebung hätten die Zahlen keinesfalls zu tun, erläuterte Gerster. Diese werde sich erst in der zweiten Jahreshälfte auf die Arbeitsmarktzahlen auswirken. Dennoch erwartet er bis zum Sommer fallende Arbeitslosenzahlen: die Erfahrung lehre, dass das Frühjahr für eine Belebung auf dem Arbeitsmarkt sorge.

Gute Nachrichten für Arbeitsminister Riester also: Mit sinkenden Arbeitslosenzahlen und substantiellen Reformvorschlägen, die im August vorliegen sollen, wahlkämpft es sich doch leichter.