Kujat widerspricht Scharping

Generalinspekteur zweifelt, ob die Bundeswehr für einen Nahosteinsatz gut genug gerüstet ist. Die Reform laufe zu langsam an. „Stimmung in der Truppe wird schlechter“

HANNOVER taz ■ Eine substanzielle Reduzierung der deutschen Truppen auf dem Balkan, die im Kosovo bis zu 30 Prozent betragen könnte, hat Generalinspekteur Harald Kujat für Ende des Jahres angekündigt – und keinen Zweifel daran gelassen, dass diese Entscheidung im Zusammenhang mit der angespannten Finanz- und Personallage der Streitkräfte zu sehen sei.

In seiner Rede auf der 39. Kommandeurstagung der Bundeswehr in Hannover übte der General, der im Sommer zur Nato wechselt, überraschend offene Kritik an der Finanzplanung für die Streitkräfte und damit indirekt auch an Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Seine betont nüchterne und monoton vorgetragene Zwischenbilanz der Bundeswehrreform hätte kaum düsterer ausfallen können.

Kujat zufolge wird der Anteil der Investitionen am Wehretat nicht den ursprünglich geplanten Umfang erreichen, und auch die neue Personalstruktur der Bundeswehr dürfte sich nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt erreichen lassen. „Das, was wir für notwendig gehalten haben, ist finanziell nicht bereitgestellt worden“, erklärte Kujat. Scharping hatte die Mittel für die Bundeswehr am Vortag als „hinreichend“ bezeichnet. Kujat warnte hingegen davor, dass eine Reform von neuen Entwicklungen überholt zu werden drohe.

Auch was eine deutsche Beteiligung über einen möglichen UN-Einsatz im Nahen Osten anging, machte der General deutlich, wie eng der Spielraum der Bundeswehr in seinen Augen inzwischen ist: Zwar könne man sich einen entsprechenden Wunsch beider Seiten seiner Ansicht nach „überhaupt nicht entziehen“, aber schon jetzt verfügten die Streitkräfte nicht mehr über ausreichende Reserven. „Natürlich kann man immer unter gewaltiger Kraftanstrengung irgendetwas auf die Beine stellen, aber das ist ja nicht normal.“ Schließlich würden für derartige Einsätze gut ausgebildete Soldaten erwartet.

Verständnis zeigte der Generalinspekteur für Unmut unter den Soldaten: „Ich sehe mit Sorge, dass die Stimmung in der Truppe schlechter wird.“ Kujat kritisierte „eine immer größere Schere zwischen Auftrag und Mitteln“, fehlendes und überaltertes Material sowie eine Verschlechterung der finanziellen Situation von Berufs- und Zeitsoldaten. Der Verteidigungsminister hatte hingegen das innere Gefüge der Bundeswehr als „intakt“ bezeichnet. BETTINA GAUS