Hand an der „Wiege des Lebens“

Bundesverfassungsgericht verhandelt über die Homoehe. Bayern, Sachsen und Thüringen sehen „besonderen Schutz“ der Ehe in Gefahr. Aufspaltung des Gesetzes stört Richter nicht. Aber: Was, wenn ein eingetragener Lebenspartner später heiratet?

aus Karlsruhe CHRISTIAN RATH

„Auch wir sind gegen die Diskriminierung von Homosexuellen“, betonte gestern Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Vor dem Bundesverfassungsgericht begründete er, warum seine Regierung dennoch die so genannte Homoehe für verfassungswidrig hält: „Es ist nicht mehr erkennbar, worin sich eingetragene Lebenspartnerschaften noch von der Ehe unterscheiden.“

Bayern hatte gemeinsam mit den Ländern Sachsen und Thüringen gegen das Gesetz geklagt, das im August letzten Jahres in Kraft getreten war. Sie fürchten, dass der im Grundgesetz vorgesehene „besondere Schutz“ für Ehe und Familie „ausgehöhlt“ wird. „Schon der Ausdruck ‚Homoehe‘ zeigt, wie das Gesetz in der Öffentlichkeit verstanden wird“, argumentierte Beckstein. Rot-Grün wolle faktisch eine „zweite Form der Ehe“ schaffen, ergänzte Sachsens Justizminister Andreas Birkmann (CDU).

Faktisch streiten die konservativen Politiker aber nicht für die Rechte der Ehepaare, sie wenden sich nur gegen die rechtlichen Verbesserungen für homosexuelle Partnerschaften. Diese können jetzt einen gemeinsamen Namen tragen, sich beerben, vor Gericht das Zeugnis verweigern und schulden sich Unterhalt. „Damit wird der Ehe überhaupt nichts weggenommen“, betonte gestern der Grünen-Abgeordnete Volker Beck. Das sah Birkmann anders: „Wer Privilegien verallgemeinert, schafft sie ab.“ Und sein Rechtsvertreter Johann Braun formulierte: „Der Ehe wird viel genommen: ihre Einzigartigkeit.“ Es sei dem Gesetzgeber verboten, die Ehe „als Leitbild“ zu schwächen, so Braun, denn sie sei die „Wiege des Lebens“ und „der Ort, wo Rollenbilder vorgelebt und erlernt werden“.

Gerhard Robbers, als Rechtsvertreter der Bundesregierung, sah jedoch den Staat in der Pflicht. Er müsse „Menschen, die keine Ehe eingehen können, eine rechtliche Heimat anbieten“. So werde die Verantwortung für den Partner „auch bei Krankheit und im Alter“ gefördert. Für sonstige Lebenspartnerschaften, etwa zwei Schwestern, könne man eigene Regelungen finden, sagte Robbers. Die Kläger hatten kritisiert, dass solche Partnerschaften gegenüber der Homoehe benachteiligt würden.

Robbers betonte auch, dass zur Ehe „eine Fülle von Unterschieden“ bestünden. Auch wenn das derzeit im Bundesrat blockierte Ergänzungsgesetz verabschiedet würde, sei der Abstand zur Ehe noch gewahrt. Die Verfassungsrichter interessierten sich in der Diskussion vor allem für die Frage, was passiert, wenn ein eingetragener Lebenspartner später heiratet. Das Gesetz hatte dies offen gelassen.

Im ersten Teil der Verhandlung wurde diskutiert, ob das Gesetz überhaupt rechtmäßig zustande gekommen ist. Minister Beckstein kritisierte insbesondere die Aufspaltung der Reform in zwei Gesetze, weil so Rechte der Länder verletzt worden seien. Die Aufspaltung ermöglichte, dass eine Hälfte der Reform ohne Zustimmung des Bundesrats verwirklicht werden konnte, während das zustimmungspflichtige Ergänzungsgesetz derzeit noch vom Bundesrat blockiert wird.

Beckstein bezeichnete die Aufspaltung „als Missbrauch“, konnte damit aber bei den Richtern wenig Eindruck hinterlassen. Zum einen ist die Aufteilung von Gesetzen in zustimmungspflichtige und -freie Teile durchaus üblich. Außerdem hat sich die Warnung der Länder, das beschlossene Teilgesetz sei nur ein unbrauchbarer „Torso“, nicht bewahrheitet. In der Praxis kommen alle Länder gut damit zurecht. Der Erste Senat des Gerichts wird in den kommenden Monaten, vermutlich noch vor der Bundestagswahl, über die Länderklagen entscheiden.