Die „Phantasiepumpe“ einschalten

Festival „feuer + flamme“ auf Kampnagel: 4 x Solo mit Vicky Cortés, Angela Guerreiro, Antje Pfundner und Anne Rudelbach. Und Dorothea Ratzel mit Das Kind  ■ Von Marga Wolff

Für viele Choreographen und Choreographinnen steht das Solo am Start ihrer Karriere, und einige von ihnen kehren hin und wieder zu dieser wohl persönlichsten Form der Aussage auf der Bühne zurück. Das aktuelle Festival „feuer + flamme“ auf Kampnagel hat der Königsdisziplin Solotanz jetzt einen ganzen Abend gewidmet.

Vicky Cortés, Angela Guerreiro, Antje Pfundner und Anne Rudelbach – der Tanz in Hamburg ist eine Frauendomäne, wie sich hier wieder eindeutig zeigt – teilen sich am kommenden Wochenende das Programm 4 x Solo. Außerdem präsentiert Dorothea Ratzel ihren einstündigen Tanz-Theater-Monolog Das Kind auf der Basis des gleichnamigen Textes von Lothar Trolle.

Die Neuhamburgerin Antje Pfundner steht da noch ganz am Anfang. „Das Solo“, sagt sie „ist für mich die nackteste Form der Aussage. Schwierig zu erarbeiten, weil es viel Disziplin kostet. Dafür ist man einzig und allein sich selbst verantwortlich.“ Irgendwann, meint sie, möchte sie ihre Ideen auch auf andere Tänzer übertragen. Einen vielversprechenden Einstand innerhalb Hamburgs Tanzszene gab die gebürtige Dortmunderin vor knapp einem Jahr mit dem Projekt überMutter. Drei Kolleginnen hatte sie da gebeten, zum Thema Mutter ein sehr persönliches Solo zu choreographieren. Pfundner selbst trat in ihrem Beitrag als mit Daunen gestopfte Glucke auf, die im Verlauf der getanzten Geschichte ordentlich Federn lassen musste. Witz und Leichtigkeit stecken in dem Tanz der 26-Jährigen.

„Hamburg“, erzählt sie, „hat mir gute Startchancen gewährt.“ Hier herrsche eine gute Arbeitsatmosphäre, obwohl die Stadt kein Zentrum für TänzerInnen sei, wie etwa Amsterdam, wo sie ihre Ausbildung absolvierte, oder New York, wo sie mittels eines Stipendiums ihr Studium fortsetzte. In ihrer neuen Soloarbeit für“feuer und + flamme“ mit dem Titel Das hängt davon ab testet sie die Abhängigkeit des Tanzes von Lichtstim-mungen und von der Musik.

Für Angela Guerreiro ist der Auftritt bei „feuer + flamme“ mit Exposure n° 2 aus ihrer begonnenen Soloreihe „eine Möglichkeit, eine unkonventionelle Arbeit zu zeigen“, wie sie betont. Unkonventionell meint da: schlicht, einfach, ganz und gar auf die Sprache des Körpers bezogen. Denn auch nach insgesamt acht abendfüllenden, auf Kampnagel produzierten Stücken hat die Suche der mittlerweile international bekannten Choreographin nach neuen Ausdrucksformen nie nachgelassen. Im November letzten Jahres hatte die Portugiesin beim Festival „manufacturing dance“ der Tanzinitiative Hamburg die Exposure-Serie mit einer expressiven, sehr intimen Arbeit begonnen. Inspiriert durch verschiedene Soloperformer des 20. Jahrhunderts – Popstars wie Madonna oder Björk gehören für sie dazu – erforscht sie das Tanzsolo als Mittel zu politischen und sozialen Statements und zu Fragen zu Identität und Geschlecht.

Was allerdings die Intimität von Soloperformances angeht, kann die gebürtige Hamburgerin Anne Rudelbach Erfahrungen mit einem der radikalsten Tanzprojekte vorweisen. In Felix Ruckerts Hautnah! tanzte sie allein für nur jeweils einen Zuschauer. Vor dem Tanz im Sépareé handelten die an der Produktion beteiligten Tänzer mit jedem Zuschauer den Preis für ihre Darbietung persönlich aus und nahmen das Geld direkt in Empfang. Bis Hautnah! als eine der erfolgreichsten Tanzproduktionen aus Deutschland rund um die Welt tourte, waren diese Einnahmen bar auf die Hand die einzige Gage. Für die vielseitig erfahrene Tänzerin Rudelbach war die Mitwirkung bei diesem Projekt eine wichtige Herausforderung. „Als Zuschauerin“, gibt die heute 40-Jährige zu, „hätte ich mich da nie reingetraut.“ Seit 1999 arbeitet sie an eigenen Choreographien, meist zusammen mit ihrem Partner Antoine Effroy. Ihr Solo, das Rudelbach jetzt auf Kampnagel vorstellt, baut in der hoch sensiblen Bewegungsart der grazilen Tänzerin auf Intuition, auf das Vertrauen in den eigenen Körper und in den Augenblick.

Wie überall, lebt auch in Hamburg der Tanz von seiner Internationalität. Vicky Cortés aus Costa Rica ist in der hiesigen Tanzszene ein noch unbeschriebenes Blatt, hat sich als Tänzerin jedoch in Pina Bauschs Wuppertaler Tanztheater und bei Susanne Linke in Bremen einen Namen gemacht. Ihr Solo Beauty Sleep, ist ein Tanz um Selbstbilder und den kulturellen Einfluss auf Schönheitsideale.

Zwar lassen einige der aufgeführten Choreographinnen Sprache und Texte in ihren Tanz einfließen, doch konzentriert sich Dorothea Ratzel in ihrer Arbeit ganz explizit auf die Verknüpfung von Schauspiel und Tanz. „Theatertanz nenne ich das“, sagt sie. Geschichten erzählen will sie, sich fallen lassen in den Text von Lothar Trolle. „Tanz“, erklärt sie, „ist für mich ein Medium, um mich in einen Zustand zu befördern, um die ,Phantasiepumpe' anzuschmeißen.“

Dorothea Ratzel: Das Kind, Freitag, 12. sowie Sonnabend, 13. April, 19 Uhr, k6

Vicky Cortés, Angela Guerreiro, Antje Pfundner, Anne Rudelbach: 4 x Solo, Freitag, 12. und Sonnabend, 13. April, 20.30 Uhr, k2