dieter baumann über Laufen
: Bei Stress langsam und vorsichtig trinken

Wir sind in Italien, um zu zeigen, dass wir alles locker nehmen: geklautes Benzin und den Strippenzieher Berlusconi

Wunderbares Pisa, wunderbarer Frühling in der Toskana. Ich stehe vor einer kleinen Bar mit meiner Vespa und bin stinksauer. Mein guter alter Roller, den ich ein paar Kilometer vorher aufgetankt hatte, fährt keinen Schritt mehr. Wieder einmal hat mir irgendein Spitz den Sprit geklaut. Lautstark müssen die italienischen Mitmenschen meinen Unmut über sich ergehen lassen. „Was für eine feige Bande, diese Benzinzapfer! Können die nicht auf eigene Rechnung tanken!“, brülle ich in die Runde.

„Piano, piano!“ Ein freundlicher Einheimischer beruhigt mich, drückt mir einen dünnen Schlauch in die Hand und zeigt mir, was in einem solchen „Notfall“ zu tun ist: Von einem anderen Moped, das günstig steht, schraubt er den Tankdeckel los und zapft Benzin ab, langsam und vorsichtig. Niemand stört sich daran.

Wozu die Aufregung? So funktioniert das in bella Italia. Deshalb fahren wir doch hin: um uns zu beweisen, wie locker wir alles nehmen. Außerdem ist hier früher Frühling, die Spaghetti sind besser, der Chianti auch, und Silvio Berlusconi ist ein ganz Großer.

Der Ministerpräsident, Außenminister und Medienzar Italiens ist omnipräsent – in den deutschen Blättern, die es hier zu kaufen gibt. Und was ist in den Landesmedien zu entdecken? Dünn, ganz dünn. Mogul hin, Mogul her – Berlusconi fällt mir weder bei einer Durchmusterung des örtlichen Zeitungsstandes noch bei einer ausgiebigen Zapptour am Fernseher ins Auge. Weder auf seinen eigenen Kanälen noch auf den öffentlich-rechtlichen, denen er als Ministerpräsident letztendlich sagt, was Sache ist.

Ich habe nicht den Eindruck, als regten sich die Italiener darüber mächtig auf. Dass sie da von einem regiert werden, der auch über die Medien regiert. Vielleicht stört es sie ein wenig, vielleicht auch nicht. Natürlich weiß ich, dass kürzlich eine Million Leute gegen ihn demonstriert haben. Aber Berlusconi ist kein Dauerthema wie in Deutschland, scheint mir. Jeder werkelt wie immer vor sich hin, improvisiert, so gut er kann, keiner schwingt den großen Hammer oder fuchtelt mit dem moralischen Zeigefinger in der Gegend herum.

Ihr Berlusconi bleibt im Hintergrund. Er zieht die Strippen hinter den Kulissen, was ihn offenbar weniger im eigenen Land als bei uns unheimlich macht. Die deutschen Politiker fürchten sich anscheinend regelrecht vor dem Cavaliere. Zumindest in seiner Eigenschaft als Medienkrake.

Am nächsten Tag, immer noch Frühling, wieder in einer Bar in Berlusconi-Land. Kirch ist pleite – Aufkauf möglich durch keinen Geringeren als – den italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi. Die Stimmung an unserem Tisch wechselt zwischen Zorn und Albernheit: Was geschieht mit dem Fernsehfußball? Ist dann auch das Heimrecht für die deutsche Nationalmannschaft 2006 gefährdet? Oder wird uns demnächst der Berlusconi-Club AC Mailand bis zum Abwinken präsentiert? Und was wird aus Pro 7? Filme nur noch mit deutschen Untertiteln? Was ist denn noch alles möglich in diesem Global Village? Da willst du doch in den Cappuccino spucken.

Man verhandelt, lese ich: Kirch, Banken, Berlusconi und natürlich auch Rupert Murdoch, der australische Amerikaner. Sitzt in San Francisco. Dort fliegen sie wohl im Moment alle hin. Auf der anderen Seite, überlege ich, ist das echt spannend. Da reist dann der italienische Ministerpräsident Silvio im Staatsjet in die USA, um mit Rupert zu beraten, wie der Deal am besten einzufädeln ist. Derweil debattieren unsere Politiker darüber, wie diese Übernahme wohl zu verhindern ist.

Es reicht doch wohl, dass sich dieser Kerl in Italien alles unter den Nagel gerissen hat. Den spanischen Sender Tele Cinco aus der KirchGruppe, in Gottes Namen soll er ihn haben. Die ollen Spielfilmkamellen wie Sissi und dergleichen? Weg damit! Aber Sat.1? Die Bundesliga? Bei uns am Tisch wird es laut. „Das muss verhindert werden!“

„Piano, piano!“ Ein freundlicher Einheimischer beruhigt mich, drückt mir einen heißen Cappuccino in die Hand und zeigt mir, was in einem solchen „Notfall“ zu tun ist: ihn langsam und vorsichtig trinken. Niemand stört sich daran. Das ist halt so. Wozu die Aufregung? So funktioniert das in bella Italia. Deshalb fahren wir doch hin: um uns zu beweisen, wie locker wir alles nehmen.

Fragen zu Laufen?kolumne@taz.de