„Es wäre eine Pflichterfüllung“

Sollte sich die Bundeswehr an einer internationalen Friedenstruppe in Israel/Palästina beteiligen: Ja, unbedingt, meint der deutsch-amerikanische Historiker Fritz Stern

taz: Gerhard Schröder hat, am Vorabend des Holocaust-Gedenktages, eine deutsche Beteiligung an einer Friedenstruppe in Nahost vorgeschlagen. Ist das mangelnde Sensibilität?

Fritz Stern: Nein. Ich begrüße es. So wie es im Augenblick aussieht, ist eine internationale militärische Präsenz absolut notwendig. Ich fürchte, die Amerikaner werden sich aus vielen Gründen wenig beteiligen, die Europäer sollten sich mehr beteiligen. Ich habe überhaupt keine Bedenken, dass deutsche Soldaten sich da auch engagieren, zusammen mit ihren europäischen Kameraden. Aus der deutschen Vergangenheit her entspricht das einer gewissen moralischen Verantwortung.

Man kann aber auch umgekehrt argumentieren: dass eine deutsche Beteiligung wegen des Holocausts nicht in Frage kommt. Wie soll ein deutscher Soldat für einen Holocaust-Überlebenden Autorität haben?

Einzelne Israelis könnten das als Provokation ansehen, aber welthistorisch gesehen, ist es doch nur richtig. Ich betone nochmal, es ist eine moralische Verantwortung Deutschlands, die man nur begrüßen kann. Ob alle Israelis das begrüßen, weiß ich nicht. Ich würde annehmen, dass es da keine Einstimmigkeit gibt. Aber ich nehme an, die meisten hoffen, dass eine internationale Präsenz ihnen das Leben erleichtert. Das würden sie bestimmt mit Dankbarkeit annehmen.

Die jüdische Gemeinde in Deutschland ist im Moment sehr sensibilisiert. Man wirft der deutschen Öfffentlichkeit Parteinahme gegen Israel vor. Ist Schröders Vorstoß gerade jetzt nicht unangemessen?

Ich halte ihn für politisch richtig und persönlich mutig. Er beweist, dass Schröder sich als europäischer Deutscher empfindet. Dass Deutschland da eingebunden ist, ist eine Selbstverständlichkeit. Natürlich ist es ein sensibleres Thema, als wenn Engländer oder Amerikaner hingehen. Aber ich würde das eher als Pflichterfüllung ansehen.

INTERVIEW: PHILIPP GESSLER