Kulturbrauerei vor dem Aus

Sanierung ja, aber nur ein bisschen, sagen sich die Gesellschafter der Kulturbrauerei und berufen die gerade erst bestellte Geschäftsführerin ab. Der Kultursenator schaut sich nun nach Alternativen um

von JÖRN KABISCH
und UWE RADA

Die ganze Stadt redet von Kürzungen im Kulturbereich. Die ganze Stadt? Nein, da gibt es noch ein kleines Dorf inmitten des Prenzlauer Bergs, das sich, selbstverständlich staatlich subventioniert, gegen alles wehrt, was mit Sparen und Schuldenabbau zu tun hat.

Diese beinahe gallischen Zustände waren es, die Karin Baumert bei der Kulturbrauerei vorfand, als sie im vergangenen November zur neuen Geschäftsführerin berufen wurde. 900.000 Mark an Verbindlichkeiten hatte die alte Geschäftsführung hinterlassen, und das, obwohl die gemeinnützige Gesellschaft als Träger des Geländes aufgrund der Zuschüsse des Landes Berlin nur fünf Mark pro Quadratmeter an die Eigentümerin Treuhand-Liegenschafts-Gesellschaft (TLG) an Miete bezahlen musste. Hinzu kam noch, dass der alte Geschäftsführer den einzig profitablen Standort auf dem Gelände, das Kesselhaus, ausgründet hatte – freilich nicht ohne sich zuvor als Teilhaber an der neugegründeten Kesselhaus-GmbH beteiligt zu haben.

„Postsozialistischen Schlamperladen“ nannte Baumert diese Zustände und ließ keinen Zweifel daran, dass die Kulturbrauerei ohne finanzielle Sanierung nicht überleben würde. Entsprechend war sie in den vergangenen Monaten auch vorgegangen, hatte zwei Mitarbeiter entlassen und in Verhandlungen mit der TLG um die Höhe der Betriebskosten einen Teil der Schulden abbauen können. Am Mittwoch allerdings wurde Baumert wieder abberufen. Kein Vertrauen mehr zu ihrer Tätigkeit, begründeten die Gesellschafter Baumert gegenüber diesen Schritt.

Gegenüber der taz wollten sich die Gesellschafter allerdings nicht äußern. „Keine Auskunft“, sagte Hein Köster von der „Sammlung Industrielle Gestaltung“ gestern, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass „Frau Baumert einen Dienstvertrag hat, in dem steht, dass sie zu schweigen hat, auch im Interesse der gemeinnützigen GmbH“.

Baumert selbst verweist ihrerseits auf die „sehr ernste Situation“, in der sich die Kulturbrauerein befinde. „Die Bewältigung der Krisensituation und die Zukunft des Standorts als kulturpolitischer Standort“, so Baumert, „brauchen ein wirtschaftlich und inhaltlich koordiniertes Handeln“.

Doch daran sind die Gesellschafter offenbar nicht interessiert, mutmaßte die Programmzeitschrift TIP bereits kurz nach dem Amtsantritt Baumerts. Warum, so fragte die Zeitschrift, war ein ganzes Jahr lang die Aufklärung der Finanzlage nicht möglich, und gab selbst die Antwort: „Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass die Gesellschafter sich wohl nicht gerade um diese Aufklärung bemüht haben.“

Die Gesellschafter, das sind im nichtkommerziellen Teil der Kulturbrauerei unter dem Dach der gemeinnützigen GmbH unter anderem Kösters Sammlung, der Verein Sonnenuhr und seit neuestem auch die LiteraturWerkstatt Berlin.

Gleichzeitig sind die Gesellschafter aber auch Untermieter ihrer eigenen GmbH, eine Konstruktion, die nicht nur den TIP verwundert, sondern auch Kultursenator Thomas Flierl (PDS): „Wir sind über die Struktur des Trägers nicht glücklich“, sagte Flierls Sprecher Torsten Wöhlert gestern der taz. Angesichts der neuen Situation würden nun vorerst alle Zahlungen an die Kulturbrauerei gestoppt. „Die Kulturverwaltung“, so Wöhlert, „muss zunächst klären, wer überhaupt der neue Gesprächspartner ist.“

Darüber hinaus kündigte die Kulturverwaltung die Prüfung der Kulturbrauerei durch einen Wirtschaftsprüfer an. „Der muss dann klären“, so Wöhlert, „ob der Träger in die Insolvenz gehen muss oder weiterarbeiten kann“. Eine Insolvenz freilich bedeutet nicht automatisch das Aus für die Kulturbrauerei. Geht der bisherige Träger pleite, steigt automatisch der Senat in den Mietvertrag ein und könnte einen neuen Träger mit den Geschäften der Kulturbrauerei beauftragen.

Doch hinter dem Konflikt steckt mehr als nur ein Streit um den mangelnden Sanierungswillen der Gesellschafter oder die Aufdeckung des Filzes der vergangenen zehn Jahre. Es geht dabei auch um inhaltliche Differenzen. Während Baumert die Kulturbrauerei noch immer als „einmaligen Ort für nichtkommerzielle Künstler und Projekte“ sieht, will die Literatur-Werkstatt Berlin hoch hinaus und hat dem Senat bereits ein Konzept für einen „Campus der Künste“ vorgelegt.

Die Gesellschafter der Kulturbrauerei zumindest hat dieses Konzept überzeugt. Sie haben am Mittwoch abend den Geschäftsführer der Literatur-Werkstatt, Thomas Wohlfahrt, zum alleinigen Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH Kulturbrauerei bestellt. Aber vielleicht war es auch nur die Hoffnung der gallischen Dorfbewohner, dass eine neuer Häuptling zwar alles besser macht, aber ja nichts anders.