Kein Fortschritt für Frauen

betr.: „Freedom and demography“, taz vom 4. 4. 02

Der Gedanke, Frauen an die „Töpfe“ der Erwerbsarbeit zu lassen ist nicht so neu, wie Stefan Reinecke es darstellt. Ganz im Gegenteil. Schon früher wurden Frauen immer dann herangezogen, wenn es (wirtschafts-)politisch opportun war. Die Folge war nicht Gleichberechtigung, sondern das Verweisen an den Herd, sobald die zu verteilenden „Wohltaten“ wieder knapper wurden. Genau darin liegt auch der Denkfehler des Autors:

Es ist für Frauen kein Fortschritt, den Notstopfen einer leidenden Wirtschaft zu spielen. Die Tatsache, dass man nicht selbstverständlich auf die Bedürfnisse arbeitender Frauen eingeht, so wie man es bei den arbeitenden Männern macht, sondern nur „wohl oder übel“, trägt die Diskriminierung quasi in sich. Der Zwang der Verhältnisse, den Reinecke als mächtigen Verbündeten der Frauen für den Fortschritt der Gleichberechtigung darstellt, wird dann zum Feind, wenn er nicht mehr vorhanden ist. Dann wird mit steuerlichen und sozialpolitischen Instrumenten dafür gesorgt, dass die Frauen ihre Plätze wieder für die Männer freimachen.

Genauso diskriminierend ist, die Frauen zu Produzentinnen von Renten- und Krankenkassenbeitragszahlern zu degradieren. Der Gedanke ist weder legitim noch sinnvoll. Nur arbeitender Nachwuchs kann in die Sozialversicherungen einzahlen. Der Arbeitsplatz wird aber bei der Geburt nicht mitgeliefert. Treffend ist, dass die Frage, ob man Kinder will oder nicht, eine rein persönliche ist. Nicht zutreffend ist, dass kinderlose, erfolgreiche Singlefrauen nicht schuldig gesprochen werden. Dies geschieht nicht verbal, sondern indem man die „Kinderhabenden“ mit dem Aufbau materiellen Neides auf die „Kinderlosen“ hetzt. Wahrlich eine subtilere Methode als das Mutterkreuz.

Die Vorstellung, die Gleichberechtigung sei in „fast alle Ritzen der Gesellschaft eingedrungen“, trifft den Kern wohl nur oberflächlich. Die Tatsache, dass Frauen in der Bundeswehr und anderen früheren männlichen Domänen zugelassen sind, sagt nichts über deren Akzeptanz dort aus. Hier bleibt abzuwarten, wie Frauen auch an den Spitzenjobs beteiligt werden und ob dort ein Klima geschaffen wird, dass dem Gedanken der Gleichberechtigung gerecht wird. […] So lange die Rechte und Bedürfnisse der Frauen von dem momentanen Bedarf von Wirschaft und Politik abhängen und nur wohl oder übel Berücksichtigung finden, wird Frau unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Gleichberechtigung missbraucht. Das ist das Gegenteil von Gleichberechtigung und kann deshalb auch nicht der Weg dorthin sein.

ANDREA RITZKA-DAHSE, Eppelheim