Die Sprache der Bäume

■ Ein Wochenendspaziergang oder: Was Flugzeugbauer, Automechaniker und Segler von einer alten Eiche lernen können. Ein kleiner Park in Oberneuland erklärt es

Warum bekommen Baumstämme Ohren? Was will eine alte Eiche mit einem Schwimmring? Und wie bekommt die Kiefer eine neue Chefetage? Antworten auf solche Fragen finden interessierte BremerInnen in einem kleinen alten Park in Oberneuland, dem Menke Park.

Gestern hat Umweltsenatorin Christine Wischer (SPD) – „mehr, als Jahresringe kenne ich von Bäumen auch nicht “ – , ein „baumbiographisches Erlebnisfeld“ eröffnet. Vulgo: Ein Baumlehrpfad. Allerdings einer, der es in sich hat. Auf 14 Stationen stellt er nicht einfach nur Bäume vor, womöglich mit lateinischem Namen. Nein, hier wird erklärt, warum die Stämme und Wipfel in ihrem Leben so gewachsen sind, wie SpaziergängerInnen sie vor sich sehen. Und das sucht in Deutschland seinesgleichen. Entsprechend heißt es auf den Schildern nicht: „Dies ist eine Eiche. Sie wächst sehr langsam und das Holz ist deshalb stabil.“ Im Menke Park steht auf den Schildern stattdessen: „Ich bin froh, dass ich ein Dicker bin ...“ Darunter wird erklärt, wie diese Eiche ihre Standfestigkeit bewahrt, obwohl sich doch ein Pilz in ihrem Stamm eingenistet hat und jetzt das Holz von innen fault. Weswegen sie am Fuß des Stammes eine Beule unter der Borke bildet. „Reaktionsholz“, das den Baum wieder auf sichere Füße stellt.

So eine Beule ist also nicht, wie die Senatorin vermutet, „Pest und Cholera“, sondern nur ein Beispiel für „die Körpersprache der Bäume“. Baumpflegern ist die schon lange vertraut. Zwei von ihnen, Alexander Grote und Volker Kranz, sind selbstständige Baumpfleger von Beruf und die Erfinder des Lehrpfads, den Stadtgrün eingerichtet hat. Sie lesen an Borke, Blattgrün und Stammhaltung ab, was Birke oder Buche schon durchlitten haben. „Man kann erkennen, was der Baum beispielsweise gegen seine statischen Probleme unternommen hat“, reden sie von ihren Schützlingen mal wie von Patienten, mal wie von Freunden.

Erforscht haben das Baumwachstum andere. Nicht Biologen sondern Physiker, allen voran die Flugzeugbauer: Das „Leichtbauprinzip“ der Bäume machen sie sich heute zu Nutzen. Volker Kranz erzählt: „Mittlerweile gibt es sogar ein Computerprogramm, das man fragen kann: ,Wie würde ein Baum es wachsen lassen?' So haben die Techniker von Opel die neueste Auto-Achse konstruiert.“

Die Vorbilder der Techniker stehen im Menke Park: Auf den ersten Blick ein Park wie viele andere auch in Bremen. Aber hier stehen so viele natürlich gewachsene Bäume, wie sonst kaum irgendwo. Nur selten hat jemand mit wohlmeinender gartenpflegerischer Hand scheinbar abgestorbene Baumstümpfe oder -reste weggeräumt. „Hier kann eine rund achtzig Jahre alte Buche ihr zweites Leben beginnen“, sagt Alexander Grote. Im Moment besteht die aus nicht mehr als einem weit aufgesprungenen, innen völlig morschen Torso aus dem allerdings dünne Zweige sprießen. In rund zwanzig Jahren sei es möglich, dass der geöffnete, von Pilzen zerfressene Stamm wieder geschlossen ist. Dann wäre er langsam mit neu gebildetem Stammholz zugewachsen, erklärt Baumpfleger Grote.

Wer die Chefetage in der Kiefer und die Eiche mit dem Schwimmring selbst sehen will, kann einfach dem Park einen Besuch abstatten. Heute, Samstag, und am Sonntag, führen Alexander Grote und Volker Kranz auch noch einmal ausführlich durch den Park. Treffpunkt ist jeweils um 15 Uhr am Haupteingang des Parks. Und wer die Arbeit der beiden genauer kennen lernen will, kann mit ihnen sogar in die höheren Etagen der Bäume vordringen, angeseilt wie die Profis.

Ulrike Bendrat

Der Menke Park liegt an der Straße Am Rüten in Oberneuland: Anfahrt mit der Straßenbahnlinie 4 Richtung Horn-Lehe, bis Station Vorstraße, dann mit Buslinie 33 Richtung Sebaldsbrück, bis Station Schorf. Noch etwa fünf Minuten Fußweg.