Raus aus der Abseitsfalle

Eine neue Sportkampagne macht auf Projekte der Straffälligenhilfe aufmerksam. Anstoß war in der Jugendstrafanstalt

Der Häftling im grünen Sporttrikot drippelt am gesellschaftlichen Spielfeldrand, hebt sein Bein und tritt die schwarz-weiße Kugel mit voller Wucht in Richtung gegnerisches Tor. Sie landet seinem Mitspieler direkt vor den Füßen. Doch der steht leider gerade im Abseits, und zwar nicht nur der bürgerlichen Existenz.

Fußballvokabular eignet sich anscheinend bestens, wenn man auf die Probleme jugendlicher Straffälliger hinweisen will. Nicht umsonst nennen die Sepp-Herberger-Stiftung und die Evangelische Konferenz für Straffälligenhilfe ihre neue gemeinsame Sportkampagne „Anstoß für ein neues Leben“. 170 Spiele sind in den nächsten zwei Jahren geplant, den ersten Anpfiff gab am Donnerstag der Justizvollzugsbeamte mit sportlicher Zusatzausbildung in der Jugendstrafanstalt (JSA) Berlin. Die heimspielerprobte Auswahl der JSA traf dort auf die A1-Juniorenmannschaft von Hertha BSC.

Zur Feier des Tages erschien Anstaltsleiter Marius Fiedler mit Fußballschlips am Spielfeldrand. Ein Geschenk vom Berliner Fußballverband, mit dem die Anstalt seit Jahren kooperiert. Deren Präsident Otto Höhne, DFB-Vize Hans-Georg Moldenhauer und nicht zu vergessen Horst Eckel, Weltmeister von 1954, waren auch gekommen und signierten eifrig Bälle. Einen davon, einen Dankesball, bekommt Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin als Schirmherrin der Veranstaltung.

Während die Fußballprominenz am Rande des Grüns Gulaschsuppe aus der anstaltseigenen Produktion löffelte, versuchten die JSA-Kicker vergebens, ihren Heimvorteil auszuspielen. Der hatte ihnen schon so manchen Sieg gegen ihre erbittersten und einzigen Gegner auf dem alljährlichen Wohltätigkeitsturnier, die Reinickendorfer Füchse, eingebracht. Doch diesmal half er nicht. 5:0 hieß es für die Nachwuchstalente von Hertha in der Halbzeit, 9:2 lautete der Endstand. Doch das Ergebnis war Nebensache. Die Zuschauer, die sich standortbedingt statt auf der Tribüne vor der Gefängnismauer tummelten, übten sich darin, die Probleme jugendlicher Straftäter in Fußballtermini zu bringen. Sie sprachen von „Teamgeist“, „Verlieren lernen“ und den Chancen des Sports bei der Resozialisierung.

Alles Begriffe, mit denen die Mitarbeiter des Berliner Stadtmissions-Initiative „Drinnen und Draußen“ täglich umgehen. Zum Auftaktspiel in der Strafanstalt stellten sie ihre Ideen vor, wie man Jugendliche vor dem gesellschaftlichen Abseits bewahrt. Sie helfen bei der Suche nach einem Arbeitsplatz oder einer Wohnung, helfen bei familiären Problemen und Schulden, damit die Jugendlichen nicht gleich nach der Haft wieder am Spielfeldrand landen. ULRIKE HEIL