Kunst macht sanfter

Kultursenator korrigiert Sparbeschlüsse, will Status Quo der jungen Szene aber ebenfalls verändern. Kunst-Werke dürfen weiter auf Mittel hoffen, Künstlerhaus Bethanien dagegen soll weiter bluten

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Wenn es noch eines Beweises gebraucht hätte, dass Kunstwerke zur Verfeinerung der Sinne und Revision böser Absichten beitragen, muss man sich jetzt einfach den späten Donnerstagabend im Kunsthaus Bethanien in Erinnerung rufen. Niemand anders als Thomas Flierl gab dort – bei der Eröffnung gleich dreier Ausstellungen – ein Zeugnis dieser Annahme. Korrigierte doch der PDS-Kultursenator, dem vor gut zwei Wochen noch vorgeworfen wurde, er sei angesichts geplanter Mittelkürzungen für die junge Szene in Höhe von 900.000 Euro von allen guten Geistern verlassen, im Angesicht der Kunst einen Teil seiner heftig kritisierten Sparvorhaben.

Nach Ansicht des Kultursenators sollen die anvisierten Streichungen erneut auf den Tisch, weil diese „teilweise nicht hinreichend durchdacht und mit den Betroffenen nicht vorab besprochen worden sind“. Komplett revidiert werden könnten dabei die vorgesehehen Kürzungen in Höhe von 100.000 Euro für den Ausstellungsstandort Kunst-Werke Berlin. „Die Kürzung war offensichtlich falsch“, sagte Flierl. Zugleich werde geprüft, ob eine Gleichstellung der Kunst-Werke mit dem Neuen Berliner Kunstverein und der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst erreicht werden kann.

Ebenfalls gnädig gab sich der Kultursenator gegenüber dem Veranstaltungsprojekt Podewil, das als Haus geschlossen und dessen Mittel um 750.000 Euro gekürzt werden sollten. Das Podewil als Aufführungs- und Probebühne werde erhalten, sagte Flierl. Über die Struktur der zukünftigen Podewil-Veranstaltungs GmbH solle jedoch weiter verhandelt werden.

Flierl wies im Bethanien aber auch Begehrlichkeiten zurück, alles beim Alten zu belassen: „Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Kultur Priorität in der Berliner Politik erlangt. Eben weil ich darin meine Aufgabe sehe, kann ich eines nicht sein: ein Anwalt oder ein Verwalter des kulturpolitischen Status quo in dieser Stadt.“ Vordringliche Aufgabe als Kultursenator sei es in dieser Situation nicht, „feste Arbeitsplätze im Kulturbereich zu sichern, sondern das künstlerische Angebot in dieser Stadt zu erhalten und Raum für Neues zu schaffen“.

Dass Thomas Flierl angesichts des Haushaltsdefizits im eigenen Etat von 27 Millionen und nicht gedeckten pauschalen Minderausgaben von rund 170 Millionen Euro nicht nur von der Muse geküsst sein darf, ließ er gleichfalls spüren. Die geplante Einsparung beim Künstlerhaus Bethanien in Höhe von 50.000 Euro für das laufende Jahr 2002 sei dagegen verkraftbar und werde beibehalten, betonte er. Hier werde auch ein neues Konzept für die künftige Arbeit benötigt.

Während sich Judith Becker, Geschäftsführerin der Kunst-genüber der taz, Werke, gegenüber der taz „zufrieden“ zeigte, „weil wir weitermachen können“, hagelte es vom Hausherrn des Ausstellungsabends, Künstlerhaus-Bethanien-Chef Christoph Tannert, Kritik. Es sei „ausgesprochen unerfreulich gewesen“, die Eröffnung zum Anlass zu nehmen, Mittelkürzungen zu verkünden und das Konzept des Bethaniens „herunterzumachen“, sagte Tannert. Zudem sei Flierl mit seinen Vorhaltungen bezüglich eines mangelnden sozialen und zeitgemäßen Konzepts „nicht auf der Höhe der Zeit“, da sich das Bethanien gerade dahin gehend profiliere.