zahl der woche
: Wirtschaftskriminalität wächst schneller als die Wirtschaft

Der Chef als Gauner

Der ehrliche Kapitalist war wahrscheinlich schon immer ein Widerspruch in sich. Doch Wirtschaftskriminalität als Volkssport ist eine relativ neue Erscheinung, die die Statistik des Bundeskriminalamts ausweist. Von etwa 75.000 Ermittlungsverfahren wegen Wirtschaftsdelikten im Jahr 1995 stieg die Zahl bis 1999 auf 109.000 an, ehe sie wieder leicht auf 91.000 nachließ. Über ein so stolzes Wachstum würde sich jedes Unternehmen freuen: rund 23 Prozent in sechs Jahren.

Dabei haben die Täter oft nicht nur einen weißen Kragen, sondern auch einen Dienstwagen. Immerhin jede vierte Straftat wird von Mitgliedern der Chefetage begangen, hat eine Untersuchung der Unternehmensberater von PriceWaterhouseCoopers (PWC) ergeben. Sie fälschen Bilanzen oder veruntreuen Firmenvermögen. Größtes Problem der Unternehmen ist aber immer noch die Unterschlagung, vor allem bei der Beschaffung.

Auch mit Korruption, Geldwäsche oder Erpressung haben die Täter mit den weißen Kragen und den schwarzen Bilanzen ihre Erfahrung. Immerhin drei Viertel aller deutschen Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten sind nach dieser Umfrage Opfer von Wirtschaftskriminellen. Die Zunahme der Korruptionsdelikte erklärt Ute Bartels von „Transparency International“ mit dem härteren Wettbewerb um staatliche Aufträge. Da der Staat immer weniger Geld für Investitionen habe, werde der Kampf um den verbleibenden Kuchen härter und unsauberer.

Einen positiven Trend gibt es dagegen bei einer speziellen Unterart der Wirtschaftskriminalität zu vermelden, den Umweltdelikten. Hier ging nach einer Statistik des Umweltbundesamtes (UBA) im Jahr 2000 zum zweiten Mal in Folge die Zahl der gemeldeten Straftaten zurück. Seit 1990 waren diese Verstöße kontinuierlich gestiegen.

Mehr als zwei Drittel der über 41.000 Straftaten bezogen sich auf den unerlaubten Umgang mit gefährlichen Abfällen. Die strafbare Verunreinigung von Gewässern und Böden machten neben dem unerlaubten Betrieb von Anlagen den Rest der Tatbestände aus. Ein Problem bei den Umweltstraftaten: Anders als bei der Unterschlagung ist niemand persönlich geschädigt. Anzeige erstatten also nicht direkt Geschädigte, sondern lediglich Menschen mit Umweltbewusstsein.

BERNHARD PÖTTER