Die Nägel sind längst abgekaut

■ Die Ausweglosigkeit aus unperfekter Kickerkunst macht den FC St. Pauli nach dem 1:2 gegen den FC Köln sprach- aber immer noch nicht hoffnungslos Von Erik Eggers

Der sprachgewaltige Georg Trakl hat in einer seiner häufigen Depressionen einmal festgehalten, dass die Mitteilung innerer Befindlichkeit an sich unmöglich sei. Nun gehört der 1914 verstorbene österreichische Dichter vermutlich nicht zu den Lieblingsautoren Dietmar Demuths, die Art indes, wie der Trainer des FC St. Pauli direkt nach 1:2-Niederlage beim 1. FC Köln nach Worten rang, ließ die Ausweglosigkeit perfekter Kommunikation erahnen.

Denn der erste Versuch war nicht einmal als solcher zu bezeichnen. Wer die innere Aufgewühltheit Demuths erfassen wollte, war zunächst auf Körpersprache angewiesen. Mehrere Male vergrub er sein Gesicht in seine schaufelgroßen Hände, seine Augen flackerten wild, und nicht einmal seine Ellenbogen gehorchten ihm, als er sie auf dem Tisch abstützen wollte. „Ich versuche es noch einmal“, hob er schließlich an, und fasste dieses „Spiel zum Fingernägelkauen“ doch noch in seiner lakonischen Art zusammen. Wieder hatte seine Mannschaft „beim 1:0 tüchtig mitgeholfen“, „unglaubliche Chancen zum Sieg vergeben“, in der „ersten Halbzeit aber Glück gehabt“, noch nicht höher in Rückstand geraten zu sein.

In der Tat hätten sie schon zur Pause aussichtslos zurückliegen können. Speziell die Auslaufmodelle Rahn, Rath und vor allem ein offenkundig lustloser Kientz hatten bis dahin teilweise am Rande der Arbeitsverweigerung agiert. Ermuntert jedoch durch den plötzlichen 1:1-Ausgleich Ugur Incemanns nur 30 Sekunden nach der Halbzeit, riss St. Pauli das Visier herunter und warf alles nach vorne. Das geschah zwar ohne erkennbares taktisches Konzept, aber dennoch bekamen Marcel Rath, Cory Gibbs und Marcao derart hochkarätige Möglichkeiten, dass sie im Normalfall für drei bis fünf Siege hätten reichen müssen. Aber die Kugel wollte nicht rein.

All das kam natürlich nur deswegen zustande, weil auch Köln um seine letzte Chance spielte. So unterirdisch präsentierten sich beide Abwehrreihen, dass diese Partie auch gut und gerne zehn Tore hätten fallen können. In der dritten Minute der Nachspielzeit staubte ausgerechnet der Ex-St. Paulianer Matthias Scherz schließlich zum 2:1 ab, dann erfolgte der finale Schiedsrichterpfiff, und die Braun-Weißen sanken zu Boden.

Dieses fiese Ende produzierte bei dem tapfer kämpfenden Holger Stanislawski „eine Leere im Kopf“, Ugur Incemann, der kämpferisch wie spielerisch zu den Besten gehörte, fand die Niederlage „wirklich scheiße“. Aufgegeben aber haben sie sich immer noch nicht, schließlich sind es weiterhin nur sechs Punkte auf Nürnberg. „Wir stehen wieder auf“, prophezeite Dubravko Kolinger trotzig und machte sich damit zum unverbesserlichen Fan seines eigenen fehlerhaften Teams.

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