Flieg, Vöglein, flieg

Erotik und Exotik, jugendfrei: Björn Kuhligk und Andreas Schäfer lasen im Literaturhaus aus ihren neuen Büchern

Schon bei der Begrüßung beruhigt der Conférencier das überwiegend junge Publikum des Charlottenburger Literaturhauses: so exotisch und erotisch, wie der Tagesspiegel in einer Ankündigung behauptet habe, würde es nicht werden.

Björn Kuhligk kommt bei seiner Gedichtrezitation aus dem neu erschienenen Band „Am Ende kommen Touristen“ dann auch gleich so vergeistigt herüber, dass man die erotischen Inhalte nüchtern wie Skulpturen im Antikenmuseum goutieren kann. Da werden Lippen zu Pilgern, die suchend die Geliebte finden, die Brüste der Geliebten zu Augen, mit denen sie den Geliebten liest.

Wenn das lyrische Ich dann auch noch Kalligraphien in den Rücken der Partnerin schreibt, muss man doch unvermittelt daran denken, dass Kuhligk im bürgerlichen Leben Buchhändler ist. Neben bibliophilen Metaphern flattert eine erhebliche Anzahl von Vögeln durch die Zeilen: Da spielen die Füße wie verspielte Vögel mit den Knöpfen der Bettdecke, und beim Küssen wird ein Schwarm gefiederter Freunde dem Mund der Geküssten entlockt. Die Lyrik des 1975 geborenen Berliners liegt vom Gestus her irgendwo zwischen dem Hohelied Salomos, hoher Minne und Paul Celan. Würde Kuhligk seine Verse nicht so absolut souverän intonieren, man müsste ein solches Maß an Abgeklärtheit bei einem Endzwanziger für ganz schön aufgesetzt halten. „Das Gedicht geht durch den Körper und grüßt nicht mal“, überschrieb Kuhligk einmal eine kurze poetologische Skizze.

Aber muss ein Gedicht wirklich so sein „wie ein Tarnkappenbomber, hin und wieder“? Auch die Dichter sollten mögliche Kollateralschäden bedenken. Ein stimmigeres Bild vermittelte da Andreas Schäfer. Zwei dunkle Haartollen baumeln senkrecht über die Stirn in Richtung Dreitagebart, fehlt eigentlich nur die Sonnenbrille. Doch das graue Jackett und der schwarze Rollkragen bürgen für die Seriosität des Deutsch-Griechen, der seit den Neunzigerjahren für das Kulturressort der Berliner Zeitung schreibt. Im Zentrum des Erstlingswerkes „Auf dem Weg nach Messara“ steht der in Hamburg lebende Marko, der sich zur Beerdigung seines Großvaters auf den Weg in das nordgriechische Messara macht. Ein subtiles Gefühl von Entfremdung und Melancholie zieht sich durch den gesamten Text. Doch autobiografisch möchte Schäfer das Buch nicht verstanden wissen.

Trotzdem sei es eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit einem Leben, das durch den regelmäßigen Wechsel zwischen zwei Kulturen geprägt wurde. Dann fügt er mit einem leisen Lächeln hinzu: „Nur das griechische Geld fasst sich seit neuestem leider genauso an wie das deutsche.“ ANSGAR WARNER