Meistermacher HSV

Die Hamburger könnten erneut zum Zünglein an der Waage werden. Bayer hat beim 1:1 einen Punkt gelassen, Dortmund soll dreifach büßen

aus Hamburg OKE GÖTTLICH

Die Luft unter der Kuppel der AOL-Arena sollte künftig auf ihren Sauerstoffgehalt überprüft werden. Nicht etwa weil der HSV oder gar Leverkusen mit ihrem Unentschieden von 1:1 fußballerisch wenig Erquicklicheres zeigten als eine gefangene Fliege im Marmeladenglas. Sondern viel mehr, weil das messbare Aggressionspotenzial der Akteure im schmucken Rund häufig auf einen ungesättigten O2-Gehalt schließen ließ. Die eigentlich unansehnlichen Rauf- und Pöbelszenen waren mitunter jedenfalls unterhaltsamer als das Spielgeschehen selbst.

Für das derzeit ohnehin als komatöses Kickerkollektiv durch die Lande tingelnde Team des HSV ist das nichts Neues. Weder Siege noch Niederlagen haben direkte Auswirkungen auf die Tabelle, sodass derzeit künstliche Beatmung vonnöten ist. „Wir wollen zu Hause in den kommenden Spielen ungeschlagen bleiben“, gab HSV-Coach Kurt Jara als Ziel aus – und hofft damit, wenigstens im Meisterschaftsendspurt noch ein wenig für Furor sorgen zu können. Denn nach dem die Bayern (0:0) schon unbefriedigt und ohne weitere Hoffnungen auf den Titel nach Hause geschickt wurden, ist nun das 1:1 gegen Leverkusen (Tore: Barbarez in Minute 5 für den HSV sowie Neuville in der 13. für Bayer) zwar ein kleiner Bremser für Bayer, aber in zwei Wochen kommen ja schließlich auch noch die Dortmunder an die Elbe. Dann könnte der HSV die Meisterschaft endgültig entscheiden.

Für die Leverkusener war dieser Tatbestand Grund genug, die Leistung des HSV ein wenig höher zu bewerten (Bayer-Coach Toppmöller: „Mit dieser Leistung ist der HSV in der kommenden Saison wieder oben mit dabei“), als es tatsächlich angemessen war. Und schlimmer als die fehlenden zwei Punkte wäre es für den Tabellenführer, „wenn eine Mannschaft, für die es um nichts mehr geht, drei Spieltage lang spaßfrei agiert“, wie Jens Nowotny anmerkte, was durchaus als Motivation für weitere Taten seitens der Hamburger gedacht war.

Dabei haben die selbst bei einem mageren 1:1 spielerisch wunderbar agierenden Bayer-Akteure derart eingeforderte Schützenhilfe eigentlich gar nicht nötig. Diesmal nutzten vor allem Lucio, Placente und Nowotny das Spiel zur Demonstration ihrer Stärke. Gemeinsam wussten die Männer aus der Defensive mehr Akzente zu setzen als die beiden restlichen Mannschaftsteile zusammen. Eine Praxis, die zumindest bei einigen wenigen Teams bereits zu einem wichtigen Theoriebestandteil in der Mannschaftsbesprechung geworden ist, aber nirgendwo so umgesetzt wurde wie bei Toppmöllers Leverkusen.

Vielleicht ist das ein entscheidender Faktor dafür, dass der Tabellenführer selbst die Spiele nicht verliert, in denen er „keine Gala zeigen kann“, wie Reiner Calmund anmerkte. Der andere Faktor für die Leverkusener Beständigkeit ist die Widerlegung der These, dass „unser Team nicht aus Robotern besteht“ (wieder Calmund). Zumindest das geringe Auftreten jeglicher Verletzungen in diesem Jahr ist erstaunlich, selbst wenn Oliver Neuville das Länderspiel gegen Argentinien am Mittwoch aufgrund eines Zehenanbruchs absagen muss. Für Klaus Toppmöller ist dieses Phänomen freilich nicht nur der medizinischen Abteilung zu verdanken. „Im Abschlusstraining setzten sich unsere Spieler weniger ein, als meinen Assistenten recht war. Dennoch habe ich gesagt: Lasst sie ruhen. Wichtig ist, dass sie am Spieltag fit sind“, erklärte Toppmöller sein Rehabilitationskonzept nach 53 gespielten Spielen in dieser Saison.

Die AOL-Arena hat den Rheinländern also nur beinahe die Luft genommen. „In Leverkusen hat noch niemand gesagt, dass wir jetzt jedes Spiel gewinnen“, korrigierte der Coach ohnehin falsche Erwartungshaltungen: „Doch wenn sie mir jetzt versprechen, dass wir am 4. Mai deutscher Meister sind, schenke ich beide andere Wettbewerbe her.“ Eines Helfers auf dem Weg zum Titel kann sich Leverkusen sicher sein: „Wir werden in zwei Wochen gegen Dortmund gewinnen – und dann ist alles klar“, legte sich HSV-Torschütze Sergej Barbarez fest. Die Luft für Meisterschaftsaspiranten ist dünn im ehemaligen Volksparkstadion zu Hamburg.

Hamburger SV: Pieckenhagen - Groth, Hertzsch, Hoogma, Hollerbach - Antar, Ujfalusi, Albertz - Barbarez - Romeo, Meijer (81. Christensen)Bayer Leverkusen: Butt - Schneider, Lucio, Nowotny, Placente - Ballack, Ramelow, Bastürk, Ze Roberto - Neuville (81. Sebescen), Berbatow (74. Kirsten)Zuschauer: 54.503; Tore: 1:0 Barbarez (5.), 1:1 Neuville (13.)