„Frau Dahn diskreditiert die Demokratie“

Daniela Dahn soll die Louise-Schroeder-Medaille des Landes Berlin erhalten. Prompt gibt Ex-Vizebürgermeisterin Laurien ihre Medaille zurück

taz: Warum denn gleich so heftig, Frau Laurien?

Hanna-Renate Laurien: Weil ich die Vergabe an Daniela Dahn als Verrat an Louise Schroeder empfinde. Auf der Rückseite der Medaille steht, dass die Abneigung gegen die Diktatur gestärkt werden soll. Das tut Frau Dahn nicht, sie simplifiziert die Diktatur.

Das tun viele andere verdiente Demokraten auch …

Aber sie diskreditiert dazu die Demokratie. Wenn sie etwa sagt, dass die Repressionen in der Bundesrepublik genauso schlimm sind wie die in der DDR. Natürlich gibt es auch hier Repressionen. Aber der Vergleich ist himmelschreiend – in einem Rechtsstaat!

Dass sie polemisieren und polarisieren wollte, als Mittel der Debatte, gestehen Sie ihr nicht zu?

Genau, sie polarisiert. Sie erkennt die Überlegenheit der Demokratie nicht an.

Das würde Frau Dahn mit Sicherheit weit von sich weisen. Sie will doch nicht die DDR zurückhaben.

Nein, aber sie sagt, an der Bundesrepublik ist auch nicht viel dran. Sie vermittelt, und ich wähle das Wort bewusst, keinen Stolz auf die Demokratie.

Muss man den haben?

Ja, nur dann kann man sich auch dafür einsetzen. Frau Dahn erkennt die SED-Opfer nicht an, sie bescheinigt ihnen eine „hoch dotierte Opferkarriere“. Sie polarisiert, wo Frau Schroeder die Menschen verbinden wollte.

Doch es gibt viele WestlerInnen, die gerade nach der Lektüre von Dahns Texten gesagt haben: Jetzt verstehe ich den Osten besser. So eine Polemik kann doch auch Dinge klarer machen.

Ich kann ihnen viele Schriftsteller nennen, die mir weitaus mehr Verständnis vermittelt haben.

Letztes Jahr hat die Berliner CDU Regine Hildebrandt als Medaillenträgerin demontiert, dieses Jahr geben Sie Ihre Medaille zurück – das sieht nach kaltem Medaillenkrieg aus.

Ich war sehr dafür, dass Frau Hildebrandt diese Medaille bekommt. Das war allerdings, bevor sie sich so eindeutig für die PDS eingesetzt hat. Es muss Position bezogen werden: Ich hätte niemals etwas dagegen, Frau Dahn einen Bücherpreis zu geben oder einen für politische Debatten. Aber dieser Preis wird für Demokratie und nicht für Polemik verliehen.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH