Im Namen der Orange

Die EU verzichtet vorerst auf Sanktionen gegen Israel. Regierungen gegen Kommissionspräsident Prodi

BRÜSSEL taz ■ Europa agiert weitgehend hilflos im Nahostkonflikt. Wie hilflos, wird sich heute zeigen, wenn die EU-Außenminister in Luxemburg mit Außenkommissar Chris Patten zusammentreffen. Dann werden sie ihm mitteilen, dass die Sanktionsvorschläge seines Chefs Romani Prodi gegen Israel von den Staats- und Regierungschefs abgelehnt werden.

In den vergangenen Tagen hatte Prodis Forderung Aufsehen erregt, den Assoziationsrat zwischen der Union und Israel einzuberufen und die Zollvergüngstigungen des Assoziationsabkommens möglicherweise auszusetzen. Der Assoziationsrat sei schließlich dafür da, „in schwierigen Zeiten zwischen unseren befreundeten Staaten Entscheidungen zu treffen. Und wenn nicht dieser Moment schwierig ist, welcher wäre es dann?“, fragte ein sichtlich aufgewühlter Kommissionspräsident die Brüsseler Journalisten. Prodi war Donnerstagmorgen von einem Franziskanerpater aus der belagerten Basilika in Bethlehem angerufen worden, der die verzweifelte Lage dort schilderte.

Das EU-Parlament hatte sich in einer gemeinsamen Resolution in Straßburg ebenfalls für Zollsanktionen ausgesprochen. Die spanische Präsidentschaft hatte daraufhin geplant, den EU-Israel-Rat morgen einzuberufen. Deutsche Diplomaten signalisierten aber schon am Wochenende, dass sie diesem Plan nicht zustimmen werden.

Deutschland hat bislang im Rat alle Beschlüsse verhindert, die die israelische Regierung unter Druck setzen könnten. Andere Regierungen, wie zum Beispiel Belgien, plädieren zwar für eine harte Linie gegenüber Scharon. Sie teilen aber die deutsche Skepsis, dass der Assoziationsrat dafür ein geeignetes Mittel ist. Wahrscheinlich würden die Israelis derzeit gar keinen Vertreter schicken, hieß es. Dann käme die Sitzung ohnehin nicht zustande.

Das Abkommen trat Mitte 1999 in Kraft. Es sollte den Rahmen für einen regelmäßigen politischen Dialog schaffen, schrittweise eine Freihandelszone errichten und die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel stärken. In Artikel 2 heißt es: „Alle Vereinbarungen im Rahmen dieses Abkommens gründen sich auf die Achtung der Menschenrechte und der demokratischen Prinzipien.“ Bereits bei der ersten Routinesitzung im Juni 2000 erinnerte der damalige portugiesische Ratspräsident Jaime Gama an diesen Passus. Er begrüßte, dass der Oberste Gerichtshof Israels „gemäßigte körperliche Repressalien“ bei Polizeiermittlungen verboten habe. Von Anfang an nutzte also die EU die Treffen dazu, die Respektierung der Menschenrechte anzumahnen.

Würden die Zollvergünstigungen tatsächlich ausgesetzt, wären in Israel 41 Prozent aller Warenimporte und 31 Prozent aller Exporte davon betroffen. Für die Europäische Union wäre der Schaden viel geringer: Nur 1,7 Prozent ihre Exporte gehen nach Israel, etwa 1 Prozent des Importvolumens kommt von dort. Israelischer Orangensaft zum Beispiel, der derzeit zollfrei aus Israel eingeführt werden darf, würde dann in europäischen Supermärkten um 12 Prozent teuer.

Dass Orangensaft in den Beziehungen zwischen der EU und Israel zum Politikum werden kann, zeigte sich bereits einmal im Herbst 2001. Damals erinnerte die Kommission die Mitgliedsstaaten daran, dass nur Orangenbäume innerhalb der israelischen Grenzen von 1967 politisch korrekte Früchte tragen. Saft aus dem Gaza-Streifen oder dem Westjordanland ist aus EU-Perspektive kein israelisches, sondern ein PLO-Produkt. Zwar gibt es zwischen der PLO und der EU bereits seit 1997 ein Abkommen über Zollvergünstigungen. Orangensaft allerdings kommt darin nicht vor. Und so bleibt den Mitarbeitern der Generaldirektion Handel die heikle Frage erspart, welche Vertragsgrundlage denn eigentlich für palästinensische Orangenbäume gilt, die von israelischen Soldaten bewacht werden.

DANIELA WEINGÄRTNER