Israel nimmt Fatah-Chef fest

Marwan Barghuti, Palästinenserführer und Arafat-Vertrauter, galt als der meistgesuchte Mann Israels und soll mitverantwortlich für die Selbstmordanschläge der Al-Aksa-Brigaden sein

JERUSALEM taz ■ Der Chef von Jassir Arafats Fatah-Bewegung ist gestern von israelischen Militärs festgenommen worden. Marwan Barghuti galt als der meistgesuchte Mann Israels. Seine Festnahme erfolgte zusammen mit seinem Neffen in Ramallah.

Israel wirft dem Fatah-Chef und engen Freund Arafats vor, für einen Großteil der Gewalt der palästinensischen Intifada verantwortlich zu sein. Ihm werden auch Kontakte zu den Al-Aksa-Brigaden nachgesagt, die in jüngster Zeit eine Serie blutiger Selbstmordattentate gegen Zivilisten in Israel verübten. Vor kurzem hatte der im Untergrund lebende Barghuti die Selbstmordattacken in Israel als „größte Heldentaten“ der Palästinenser bezeichnet.

Ein israelisches Gericht hatte im letzten Jahr einen Haftbefehl gegen den Politiker ausgestellt und Arafat aufgefordert, Barghuti auszuliefern. Vergangenen August überlebte er einen israelischen Raketenangriff auf sein Auto. Nach israelischen Angaben war die damalige Attacke aber nicht gegen den populären Palästinenserführer gerichtet.

US-Außenminister Colin Powell hat unterdessen die Rolle von Jassir Arafat bei künftigen Verhandlungen in Frage gestellt. Arafats Anwesenheit bei einer Nahost-Konferenz sei „nicht notwendig“, sagte Powell. Der Palästinenserpräsident könne auch einen Vertreter entsenden. Zuvor hatte Israels Ministerpräsident Scharon vorgeschlagen, eine Regionalkonferenz zur Lösung der Nahost-Frage einzuberufen. Er befürworte ein Treffen unter US-Vorsitz zwischen Israel, Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien und moderaten Palästinensern, nicht jedoch mit Arafat. Marokko, Syrien und Libanon sowie andere gemäßigte arabische Staaten seien willkommen.

Ausgerechnet Arafat erklärte augenblicklich seine Teilnahmebereitschaft, allerdings nur nach einem israelischen Rückzug aus den autonomen Palästinensergebieten. Präsident Bushs Beraterin für Nationale Sicherheit, Condoleezza Rice, nannte gestern einen vollständigen israelischen Rückzug, das endgültige Ende von Anschlägen und die überzeugende Verurteilung von Terror durch die Palästinenser als Bedingung. Eine internationale Truppe zur Überwachung eines Waffenstillstands sei denkbar, nicht jedoch eine starke US-Präsenz. Jordanien und Ägypten distanzierten sich bereits von einer Konferenz ohne Arafat.

US-Außenminister Colin Powell flog gestern zunächst nach Beirut und später nach Damaskus, um ein Ende des Beschusses Nordisraels durch die Hisbullah-Miliz zu verlangen. Die Schiitengruppierung schießt seit zwei Wochen von libanesischem Territorium aus auf Israel.

In Luxemburg berieten gestern die EU-Außenminister über den Nahostkonflikt. Sie lehnten die Ausrufung von Sanktionen gegen Israel ab. Für die EU stünde jetzt an erster Stelle die Unterstützung der Mission von US-Außenminister Powell, sagte Bundesaußenminister Joschka Fischer. Für einen eigenen Vorstoß sei derzeit nicht der richtige Moment. ANNE PONGER, KLH

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