Torfgeheimnisse im Güterwaggon

■ „Das Letzte Kleinod“ bringt Dokumentations-Theater auf die Gleise

Wie viele Geheimnisse birgt eigentlich ein Güterwaggon? Eine versteckte Klappe im Boden. Dutzende von Torfsoden. Klappernde Scharniere. Fertig ist die Bühne für das Doku-Theater „Ossetong“, das im ausrangierten Güterzug in Sebaldsbrück Station macht.

Draußen dröhnen Intercities durch die Nacht, von oben trommelt der Regen auf das Blechdach. Drinnen im Waggon, auf Torf und in Decken gekauert, lebt für den Zuschauer längst Vergangenes wieder auf: Die Torfzeit. Und damit das schwere Leben für den einzigen Bodenschatz, den der Norden jemals hatte.

Drei Frauen stehen auf dieser kleinsten aller Bühnen und schichten Torf um. Immer wieder. Erst stapeln sie die Soden, dann stapeln sie sie anders rum, dann tragen sie sie zusammen. Knochenarbeit. Von fünf Uhr morgens an. Bis 1958. Dann war Schluss mit dem Schuften, sagt eine von ihnen. „Da haben wir zum letzten Mal gegraben. Da kriegten wir Heizung.“ Das Ende der Maloche im Moor.

Der Ossetong, das ist ein kleiner Torfspaten, ein unscheinbares Relikt dieser Schwerstarbeit. Eine Hand voll Lebensgeschichten hat die Theatergruppe „Das Letzte Kleinod“ rund um das Leben mit dem Torf zusammengetragen und auf drei Frauenrollen zurechtgeschnitten. Sie sprechen deutsch, platt und niederländisch. Die Sprachen der Torfstecher. Und sie erzählen als junge Mädchen („ich war schon Vierzehn“) von Blasen an den Händen, vom Melken und Torfschleppen – „da gab es kein Pardon“. Mal blicken sie als ganz Alte dann zurück: auf diese Welt, in der Geübte mit Holzpantinen und ohne nasse Füsse durch das Moor rutschten („wie auf Wolken“). Man von montags bis samstags wie ein Tier geschuftet und sonntags gefeiert hatte.

Sonst passierte nicht viel in diesen Leben. Unterhaltung ist der „Ossetong“ deshalb nicht gerade. Keine Krise, keine Konflikte, keine Leidenschaft. Dafür ganz plastisches „Dokumentar-Theater“. Das wie ein Schulfilm abläuft, exakt eine Schulstunde lang. Aber in dem man immerhin an Torfsoden schnüffeln kann, unter Donnergrollen zittert und sich tiefer in die Decken kuscheln kann, wenn auf dieser Bühne das Licht angeht. Weit weg vom Moor. pipe

Heute noch mal um 16 und um 10 Uhr am Bahnhof Sebaldsbrück. Den Ausschilderungen folgen. Infos: www.das-letzte-kleinod.de Tel.: 04749 – 10 25 64.