Nachermittelt
: Bande? Krähenfüße!

■ Überfall auf Juwelier Wempe: Ist der Angeklagte ahnungslos hineingeraten?

Aleksander B. wollte in Deutschland eigentlich „nur“ schwarz auf dem Bau arbeiten, sagt der 30-jährige, aus Jugoslawien stammende Mann. Stattdessen steht er seit gestern in Bremen vor Gericht.

Die Staatsanwältin Claudia Helberg wirft ihm vor, dass er mit drei anderen Tatverdächtigen am 2. Januar um zehn vor fünf Uhr morgens das Juwelengeschäft Wempe in der Sögestraße überfallen haben soll. Die vier sollen mit einem BMW durch die Jalousie in den Laden gerast sein, um ihn vollständig auszurauben.

Geschnappt wurde bisher nur Aleksander B. Der sagte, er habe bis kurz vor dem Überfall nicht gewusst, was für eine Art von Arbeit er tatsächlich übernehmen solle. Da er kein Geld gehabt hätte, habe er bei dem Überfall mitmachen müssen.

Vor dem Hintergrund, dass in den letzten Monaten gehäuft Juweliere Opfer von Überfällen wurden, scheint die Annahme der Staatsanwaltschaft nachvollziehbar, dass die Überfälle bandenmäßig organisiert sind. Am Freitag waren zwei Polen, die Brinckmann & Lange überfallen hatten, zu drei Haft verurteilt worden. Wempe-Geschäftsführer Peter Sedlatzek geht davon aus, dass die Einbrecher in seinem Laden „auf Anweisung“ gehandelt hätten.

Denn die Tatverdächtigen hätten vergeblich versucht, mit Vorschlaghämmern die Panzerglasscheiben zu den wertvollsten Auslagen zu zerschlagen. Nach diesem Misserfolg hätten sie aber auch keine anderen Schmuckstücke gestohlen, die aus zerstörten Vitrinen herausgefallen waren.

Der Polizist Jürgen Dietrich gab zu Protokoll, dass die Ausrüstung, mit der der Angeklagten festgenommen worden war „professionell“ gewesen sei: Aleksander B. habe ein Handy und rund 1.000 Mark „Bewegungsgeld“, also mögliches Fluchtgeld, bei sich gehabt. Um keine Fußabdrücke zu hinterlassen, habe er Socken über die Schuhe gezogen.

Entsprechend klagte die Staatsanwaltschaft Aleksander B. zunächst wegen „vollendeten gemeinschaftlichen Bandendiebstahls“ an. Am Ende des ers-ten Prozesstages ließ die Staatswältin das „bandenmäßig“ fallen. Die Beweisführung sei sehr kompliziert und langwierig, so Helberg am Rande des Prozesses.

Ob der Diebstahl vollendet war, ist außerdem zweifelhaft, weil nichts gestohlen wurde. Die drei vom Juwelier zunächst als vermisst gemeldeten Uhren im Wert von 10.000 Mark tauchten nach vier Tagen wieder auf, sagte der Geschäftsführer.

Die Staatsanwaltschaft verfolgt nun den Vorwurf weiter, dass der Überfall „mit einem gefährlichen Gegenstand“ begangen worden sein soll. Gemeint sind die zwei Vorschlaghämmer. Neu hinzugekommen ist für Verteidiger Gerhard Stoll der Vorwurf, dass Aleksander B. an einem „gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr“ beteiligt gewesen sein soll: Die Verdächtigen sollen in den Straßen rund um den Laden Krähenfüße ausgelegt haben, so dass die eintreffenden Streifenwagen wegen plattgefahrener Reifen die Verfolgung nicht aufnehmen konnten. Auch einen Blumenkübel sollen sie auf die Straße gerollt haben. Nach einem für Verteidiger Stoll „abenteuerlichen“ Tag unterbrach Richter Heinrich Schnitger den Prozess bis zum nächsten Dienstag. Ulrike Bendrat