berliner szenen Weddinger Nächte

Der Astronaut im Hof

Ein Astronaut läuft über den Hinterhof, begleitet von drei Männern in Grün. Ist doch klar, ein Astronaut kann nachts nicht einfach über unseren Hof laufen, da braucht’s schon polizeilichen Schutz. Der Astronaut trägt eine lange Stange mit einem Metallring vorne dran. Stange, Astronaut und Grüne verschwinden im Hinterhaus. Dann ein mordsmäßiger Krach, eine Tür wird aufgebrochen. Ein Hund bellt irre, ein anderer winselt leise. Beide Hunde werden kurz darauf in der Metallschlinge abgeführt.

Der Astronaut entpuppte sich als Hundefänger im weißen Spezialanzug. Dem Spektakel gingen schlaflose Nächte voraus. Ein Nachbar im Hinterhof hatte seine Haustiere ihrem Schicksal überlassen – bei offenem Fenster. Vor allem in den Nächten begrüßten sie jeden Bewohner und jeden Besucher des Hinterhofs mit lautstarkem Gebell.

Am Wochenende war es dann mal Zeit, runter in den Hof zu gehen, um herauszufinden, wo die zwei freundlichen Tierchen ihre Heimstatt haben könnten. Dank des begrüßenden Kläffens führte die Suche schnell zum Ziel. Ich klingelte. Die Hunde öffneten nicht, der Nachbar auch nicht. Die anderen Mieter schauten aus den Fenstern und murmelten Worte, die ich hier lieber nicht wiedergeben will. Ich rief die Polizei. Für das Verhungern von unschuldigen Kreaturen wollte ich nicht verantwortlich sein. So rückte das Hunderäumkommando also an und wartete mit mehreren Wannen auf der Straße. Vier Stunden später schritten sie nebst Astronaut zur Tat. Das Herrchen blieb verschollen, jedenfalls hat ihn nach dieser nächtlichen Aktion keiner aus unserem Haus mehr gesehen. Ob unser Nachbar eine ähnliche Unterkunft zugewiesen bekommen hat wie seine Hunde?

JÜRGEN SCHULZ