Das Glashaus als Botschaft

Richtfest für den Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums. Architekt Ieoh Ming Pei hat einen modernen Glaspalast geschaffen, der aber die preußische Baugeschichte ganz weit hereinlässt

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Auf ihre wenigen bestehenden historischen Ensembles in der Stadt lassen die Berliner nichts kommen. Als Anfang der 90er-Jahre etwa Überlegungen angestellt wurden, Rudimente der barocken Friedrichstadt privaten Investorenträumen zu opfern, machten Anwohner, Denkmalschützer und Politiker dagegen ebenso mobil wie angesichts der maßstabslosen Architekturen, die aus dem städtischen Grundriss herausbrechen sollten.

Dieselben Stimmen waren es, die sich 1997 lautstark erhoben, als der Entwurf des New Yorker Stararchitekten Ieoh Ming Pei für den Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums (DHM) hinter dem vorhandenen Gebäude an der Straße Unter den Linden vorgestellt wurde. Zu innovativ, zu modern und zu respektlos verhalte sich die Pei-Architektur zu den Ikonen des Barock und des preußischen Klassizismus vor Ort: Karl Friedrich Schinkels Neue Wache und Altes Museum, Schlüters Zeughaus (der Standort des DHM) und natürlich August Stülers halb zerstörtes Neues Museum gegenüber.

Hinter der berechtigten Sorge städtebaulicher Überformung verbarg sich damals noch ein anderes Interesse. In dem Abriss des alten Deponiegebäudes, an dessen Stelle der Neubau realisiert werden sollte, sahen Ostberliner Ideologen die erneute Vernichtung von DDR-Geschichte. Außerdem war Pei in einem wenig transparenten Verfahren zum Planer des DHM-Erweiterungsbaus bestimmt worden: Kanzler Helmut Kohl hatte in einem Akt von Selbstherrlichkeit I. M. Pei einfach – Punktum, der macht das – ausgesucht.

Alle Sorge ist überflüssig. Jetzt, wo der Bauzaun weggeräumt und gestern das Richtfest gefeiert wurde, zeigt sich, dass Peis moderner Erweiterungsbau das einzigartige Grundstück mit den Bauten der berühmten Berliner Baumeister steigert. Denn zwischen den „Linden“ und der Museumsinsel entsteht ein Haus, das die preußische Museumslandschaft neu vernetzt und mittels sachlicher moderner Architektursprache die historischen Solitäre gleich miteinander versöhnt. Ein Geniestreich?

Pei hat diesen „Link“ mit einem einfachen, fast schlichten Baukörper erreicht und diesen durch ein Zitat seiner Louvre-Pyramide nobilitiert, um die Museumsnutzungen zu vergrößern. Hinter das barocke Zeughaus, dessen Hof mit einem Oberlicht überdeckt wird und zukünftig als Schauraum dient, hat der Architekt seinen kleinen, dreieckigen Neubau angeschlossen, der in der Form einem Tortenstück ähnelt. Während das dreistöckige Gebäude zur Straße „Hinter dem Gießhaus“ die steinernen historischen Fassaden in hellem Granit verlängert, ist die halbrunde Seite gegenüber dem Schlüter-Altbau über die gesamte Fläche verglast. Ein riesiges Schaufenster öffnet sich so den Passanten, die sowohl in das raumhohe Foyer als auch in die vier Ausstellungsgeschosse des Baus blicken können.

Davor wird seit gestern auch der spektakuläre Treppenturm aus Glas und Stahl sichtbar, der hinter der gewaltigen Masse des Zeughauses den Neubau als eigenständiges modernes Objekt herauslöst. Dass es Pei dennoch mehr auf den Dialog zwischen Alt und Neu, die dialektische „Verbindung“ zwischen den bestehenden Bauten und die „Sichtbezüge zum Dom und der nahen Humboldt-Universität“ ging, kann man daran ermessen, dass der Architekt sowohl in der steinernen Materialwahl und den Volumina als auch mittels des supermodernen Großfensters Schinkel, Schlüter und Stüler quasi in den Neubau hereinholt und so zwischen innen und außen, Moderne und Geschichte vermittelt.

In der baulichen Skulptur aus Licht und Glas durften sich zum Richtfest die Besucher auch an Paris erinnert fühlen. Denn wie bei seiner Louvre-Pyramide hat Pei zur Erweiterung des DHM um 3.000 Quadratmeter Nutzfläche das Souterrain mit in den Ausstellungsbereich als große, lichte Halle mit einbezogen, die bis an den Himmel stößt. Bis Anfang 2003 sollen der 50 Millionen Mark teure Erweiterungsbau für Wechselschauen und die Hofüberspannung fertig fertig sein und das DHM mit dann rund 10.000 Quadratmeter Nutzfläche eröffnet werden.

Bundesbauminister Kurt Bodewig nannte im Beisein Ieoh Ming Peis den Neubau gestern schon einmal ein „architektonisches Kleinod“, das die historische Mitte modern und ästhetisch zugleich verwandelt. Vielleicht, so hörte man beim Richtfest mehrfach, strahlt von hier aus diese zeitgenössische Botschaft zum Schlossplatz hinüber. Denn dort denkt man noch in barocken Vorstellungen.