RAU IN ITALIEN: AUCH DIE KRIEGSGEFANGENEN WOLLEN AUF DIE AGENDA
: Versöhnung und Verhöhnung

Dass Bundespräsident Rau in Italien auf Besuch weilt, dies hätte bis vor wenigen Tagen kaum einen Italiener groß interessiert – zu Recht. Staatspräsidenten sind in Deutschland wie in Italien fürs Grundsätzliche zuständig, grundsätzlich aber sind die bilateralen Beziehungen einfach wunderbar. Und wo es in den letzten Monaten dank Berlusconis Machtantritt öfter mal hakte – ob Euro-Haftbefehl, gemeinsamer Militär-Airbus oder das befürchtete Vordringen Berlusconis auf den deutschen Medienmarkt –, da haben Rau und sein Amtskollege Ciampi einfach nichts zu melden.

Und doch hat Johannes Rau die italienischen Schlagzeilen erobert. Heute fährt er nach Marzabotto, jenem Dorf bei Bologna, in dem deutsche Einheiten 1944 fast 800 Menschen vom Kleinkind bis zum Greis barbarisch hinschlachteten. Dass Rau von deutscher Seite aus die Erinnerung wach halten will, dass er in einer Geste der Versöhnung und Entschuldigung Überlebende von damals treffen möchte – dies wird ihm in Italien hoch angerechnet. Denn jahrelang blieb der Mantel des Schweigens über das Massaker gebreitet; schweigend auch legte Raus Vorgänger Weizsäcker 1991 einen Kranz für die Naziopfer in Italien nieder.

Rau wird endlich reden – gut so. Besser noch wäre es, wenn den Versöhnungsworten Taten folgten. Gerade die aber verweigert Deutschland zurzeit. Tausende nach 1943 zur Zwangsarbeit Herangezogene hatten auch in Italien Entschädigungsanträge an den Zwangsarbeiterfonds geschickt. Unrecht sei es gewesen, dass die Nazis den italienischen Soldaten den Status von Kriegsgefangenen aberkannt hätten, heißt es dazu in Berlin, und dieser Unrechtsakt sei daher ungültig. Deshalb wiederum seien aber auch keine Entschädigungsansprüche der rückwirkend freundlich wieder zu Kriegsgefangenen Beförderten möglich. Ein Hohn.

Damit Raus Versöhnungsgeste nicht ins Leere läuft, muss diese absurde Entscheidung vom Tisch. Doch da sind wir wieder beim Dilemma des Bundespräsidenten: Zu dieser sehr praktischen Frage darf der Mann fürs Grundsätzliche nicht einmal eine offizielle Meinung haben. MICHAEL BRAUN