„Philosophie unbegrenzten Wachstums“

Die Regierung beschließt heute ihre Nachhaltigkeitsstrategie. Lob und Kritik der BUND-Vorsitzenden Angelika Zahrnt

taz: Die Bundesregierung beschließt heute offiziell, wie sie die Zerstörung der Umwelt in Deutschland auf ein erträgliches Maß verringern will. Sie haben an dieser Nachhaltigkeitsstrategie mitgearbeitet. Ist dabei mehr als schöner Schein herausgekommen?

Angelika Zahrnt: Im Wesentlichen ist das Ergebnis eine gute Sache. Bei Details kann man unterschiedlicher Meinung sein.

Was ist für Sie das Highlight?

Das Bundeskabinett legt sich fest, den täglichen Flächenverbrauch von heute 130 Hektar (ein Rechteck von 1.300 Meter Länge und 1.000 Meter Breite) auf nur noch 30 Hektar im Jahr 2020 zu senken. Für eine Regierung ist das schon ganz gut. Natürlich kann man mehr fordern, wie es die Bundestags-Enquete-Kommission zum Schutz des Menschen und der Umwelt auch getan hat.

Mit welchem Punkt der Strategie sind Sie am wenigsten zufrieden?

Durch das ganze Werk zieht sich die alte Philosophie des unbegrenzten Wachstums. Man thematisiert zu wenig, wie das mit Nachhaltigkeit zusammenpassen soll. Zum Beispiel heißt es in der Strategie, dass die Verkehrsbelastung bezogen auf das Bruttosozialprodukt reduziert werden soll. Für die Umwelt spielt es aber keine Rolle, ob wir eine relative Verbesserung haben. Auf die absolute Reduzierung der Umweltbelastung kommt es an.

Auch ein Wachstum von fünf Prozent wäre „nachhaltig“ im Sinne der Strategie. Bräuchte man nicht eine umfassende Politik, die ausdrücklich ein reduziertes Wirtschaftswachstum von – sagen wir – zwei Prozent anstrebt?

Das lässt sich nicht so allgemein sagen. Denn aus solch einer Prozentzahl können Sie nicht ableiten, wie hoch die Umweltbelastung ausfällt. Wir fordern deshalb, ökologische Grenzen zu bestimmen, innerhalb derer sich dann die Wirtschaft abspielen kann.

Wachstumsraten von drei oder vier Prozent bringen unter den gegenwärtigen Umständen immer steigende Belastungen für die Umwelt mit sich. Ist die Versöhnung von Wachstum und Umweltschutz also eine Illusion?

Nicht unbedingt. Der Energieverbrauch ist gesunken, während die Wirtschaft insgesamt wuchs.

Das ist die ganz große Ausnahme.

Wir müssen zusehen, dass dieser Effekt auf andere Bereiche ausgedehnt wird. Dann könnten wir uns Wachstum leisten und trotzdem die Umweltzerstörung reduzieren.

Wird Deutschland mit dem Plan sein Ziel zur Reduzierung der Treibhausgase und zum Schutz des Weltklimas erreichen?

Das in Kioto 1997 beschlossene Ziel – die Verringerung um 21 Prozent bis 2012 – vielleicht. Aber man hätte die Reduzierung fortschreiben müssen bis zu 40 Prozent 2020. Nachhaltigkeit ohne langfristige Bindungen kann es nicht geben.

Hat sich hier die Wirtschaft durchgesetzt?

Da ist zum einen die Angst der Regierung, eine internationale Vorreiterrolle einzunehmen, während andere Staaten sich ausruhen. Zum anderen bremst Wirtschaftsminister Werner Müller beim Klimaschutz, indem er die Kohle unbegrenzt subventionieren will.

INTERVIEW: HANNES KOCH