Ein Schlaraffenland für die Biotechnologie

Bundesregierung setzt auf Biotech-Industrie. Führende Rolle Deutschlands in Europa soll ausgebaut werden

BERLIN taz ■ Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn freut sich: „Die Biotechnologiebranche kann zuversichtlich in die Zukunft schauen“, sagte sie gestern in Berlin auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Nach anfänglichen Schwierigkeiten in den 60er- und 70er-Jahren sei Deutschland mittlerweile in der Biotechnologie die Nummer eins in Europa. Die Bundesregierung sei sich einig, so Bulmahn, dass dieser Rang nicht nur gehalten, sondern auch ausgebaut werden müsse. Bis zum Jahre 2005 werden dafür rund 800 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Rund 330 mittlere und kleine Biotechunternehmen gab es Ende 2000 in Deutschland. In Großbritannien, das lange Zeit als Spitzenreiter in Europa galt, waren es 271 und in Frankreich 240. In Deutschland seien durch diese Unternehmen etwa 11.000 Arbeitsplätze geschaffen worden, sagte Bulmahn. In sieben bis zehn Jahren werde sich die Zahl verfünffacht haben.

„Die Rahmenbedingungen für die Biotechnologie sind in Deutschland hervorragend“, sagte auch Katharina Uhenbrock, Analystin bei der Deutschen Bank. Unterstützung bekam sie von einem Schweizer Investor, der Deutschland gar als „Schlaraffenland“ für die Biotechnologie bezeichnete.

Auch wenn bei uns die Biotechnologie im „Vergleich zu den USA einen Entwicklungsrückstand von circa 10 Jahren und zu Großbritannien von etwa 5 Jahren“ habe, so Uhlenbrock, die Ausgangssituation sei gut. Es gebe zahlreiche Förderprogramme, verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen und reichlich Kapital für die junge Industrie.

Den Entwicklungsrückstand zu den USA und Großbritannien erklärt die Wirtschaftsexpertin mit „historischen und mentalen Unterschieden“. So sei in Großbritannien die Biotechnologie schon immer stark gewesen, in Deutschland mehr das Ingenieurswesen. Maßgeblich war aber vor allem, dass sowohl in den USA als auch in Großbritannien die Risikobereitschaft auf dem Kapitalmarkt viel größer war. Und die Biotechnologie sei nun mal, so Uhlenbrock, die „kapitalintensivste Technologie“.

Die Experten sind sich aber auch einig, dass einige der Biotech-Firmen die nächsten Jahre nicht überleben werden. Die Biotech-Unternehmen, die nicht mindestens über ein Kapital von 400 bis 500 Millionen Euro verfügten, „werden wieder verschwinden“, warnte der Molekularbiologe und Vorstandsvorsitzende der Berliner Biotech-Firma Mologen, Burkhard Wittig.

Einige der in den letzten Jahren neu gegründeten Firmen, vor allem Ausgründungen aus Forschungseinrichtungen, setzen auf die Entwicklung eines einzigen Medikamentes. Spätestens wenn dieses bei der klinischen Prüfung, die darüber hinaus auch extrem teuer ist, durchfällt, werden solche Firmen in große finanzielle Schwierigkeiten kommen. WOLFGANG LÖHR