„Keine Belohnung für Terror“

Ehud Barak, vor Scharon Premier Israels, fordert eine harte Position der Europäer gegenüber Arafat. Er empfiehlt einen Zaun als Sicherheitsgrenze Israels

Interview SUSANNE KNAUL

Frage: Glauben Sie, dass die israelische Militäroperation im Westjordanland den Terror beenden wird?

Ehud Barak: Nein. Terror kann nicht durch eine Militäroperation beendet werden. Es werden viele Terroristen verhaftet werden und es werden viele Waffen konfisziert werden. Die Möglichkeiten, Terrorattentate auszuüben, werden für einige Monate eingeschränkt sein. Gegen den Terror kann man nur auf zwei Ebenen kämpfen. Das ist wie mit Malaria. Der operative Aspekt wäre, die Mücke zu töten, aber gleichzeitig muss man den Sumpf austrocknen – das ist der politische Aspekt. Und die Tür sollte immer offen bleiben für die andere Seite, falls sie bereit ist, gemeinsam den Sumpf auszutrocknen.

Hätten Sie, wären Sie heute noch Premierminister, wie Scharon gehandelt?

Ich hätte genauso versucht, gegen den Terror vorzugehen. Dabei muss klar sein, dass wir weder gegen das palästinensische Volk noch gegen Arafat persönlich kämpfen, sondern nur gegen den Terror. Allerdings würde ich mich nicht allein auf die militärische Option beschränken, sondern parallel klarstellen, dass die Tür für Verhandlungen in jedem Moment offen steht, ohne jede Vorbedingung, basierend auf den Prinzipien von Camp David. Ich würde deutlich machen, dass es nicht darum geht, Arafat und seine Autonomieverwaltung gegen die Wand zu drücken, sondern sie lediglich durch einen Korridor zurück zum Verhandlungstisch zu führen. Wir können Arafat nicht zum Frieden zwingen. Aber man kann die andere Seite zum Krieg zwingen, und genau das versucht Arafat. Er will uns Selbstmordanschläge als legitimes politisches Mittel diktieren. Wir werden das niemals akzeptieren.

Glauben Sie, dass der einseitige Rückzug aus dem Südlibanon im Frühjahr 2000 mit ein Grund für den Ausbruch der Intifada nur wenige Monate danach war?

Es gab lange vor dem Abzug Selbstmordattentate. Es gibt augenblicklich große Bemühungen hier in Israel, nicht eine zweite Front zu eröffnen und uns damit in einer regionalen Konfrontation wiederzufinden. Dies wäre nicht möglich, wenn wir noch dort wären und täglich mit der Hisbullah kämpfen müssten.

Dann ist also das Misslingen der Verhandlungen in Camp David Grund für die Intifada? Haben Sie Fehler gemacht?

Zum ersten Mal in der Geschichte des Konflikts legte damals in Camp David ein amerikanischer Präsident ein Angebot auf den Tisch, das sehr dicht an dem palästinensischen Vorschlag war. Ziel war die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates auf über 90 Prozent des Westjordanlandes und 100 Prozent des Gasa-Streifens, mit dem Recht der Flüchtlinge zur Rückkehr in das palästinensische Gebiet – nicht nach Israel, plus einer Basis in Jerusalem als Teil der Hauptstadt. Herr Arafat, und das ist das entscheidende Element, weigerte sich, dieses Angebot als Basis für weitere Verhandlungen zu akzeptieren. Er verschloss die Tür hinter sich und wandte sich gezielt dem Terror zu.

Arafat will einen eigenen Staat, warum also wählte er diesen Weg?

Weil er als Teil der End-Status-Lösung, und damit dem Ende des Konfliktes, Israel hätte anerkennen müssen, und zwar nicht als Tatsache, sondern als jüdischen Staat. Sprich: Er hätte seine politische Agenda verändern und das Ziel, Israel zu zerstören, ein für allemal aufgeben müssen.

Die PLO hat zweimal ihre Charta verändert und die Paragraphen, die zur Zerstörung Israels aufrufen, gestrichen.

Was wir in Camp David gelernt haben, was schwer und schmerzlich war vor allem für mich als Führer des Friedenslagers in Israel, ist, dass Herr Arafat das moralische und legale Recht Israels, als jüdischer Staat zu existieren, nicht anerkennt. Arafats Vision ist nicht die eines Staates Palästina an der Seite von Israel, sondern anstelle von Israel.

Was Sie fordern, ist mehr und vor allem einstimmiger Druck von außen. Den hat es schon in Camp David gegeben, und es half nichts.

Nicht nur das, Arafat hat sich anschließend dem Terror zugewandt. Sollte er dafür belohnt werden? Ich sage nein, und empfehle den Europäern, es auch zu tun. Terror ist eine Frage des Prinzips. Es geht den Terroristen nicht nur darum, dass wir unsere Toten begraben müssen, sie wollen auch den Willen derjenigen brechen, die leben. Das israelische Volk wird niemals, ich wiederhole: niemals, dem Terror nachgeben. Nicht in zehn Jahren und nicht in hundert Jahren. Auch die Europäer sollten ehrlich sein, freiheitsliebend und unabhängig denken. Nachzugeben ist, als ob man Krokodile füttert, es regt nur ihren Appetit an. Aber Europa tut genau das und sagt: Na ja, wenn die Krokodile noch nicht satt sind, müssen sie noch ein bisschen mehr bekommen. Ich erwarte von den Europäern, dass sie sich US-Präsidenten Bush anschließen, statt ihn in Richtung ihrer wackligen und zweifelhaften Position zu drängen.

Sie haben als erster Politiker die Option der einseitigen Trennung erwogen. Israel könnte zu einem Apartheitssystem werden, wenn es die palästinensischen Gebiete nicht verlässt. Glauben Sie wirklich, dass eine einseitige Trennung Selbstmordattentate verhindern kann?

Wir haben ein Muster: Der Gasa-Streifen ist von einem Zaun umgeben. Es kommen keine Attentäter von dort.

Warum unternimmt die jetzige Regierung nichts in dieser Richtung?

Scharon mag befürchten, dass der Zaun nicht nur als Sicherheitsgrenze aufgenommen wird, sondern dass hier bereits der endgültige Grenzverlauf festgelegt wird. Man müsste sehr klar machen, dass das nicht der Fall ist, sondern dass die endgültige Grenze Sache von Verhandlungen ist. Eine einseitige Trennung, und zwar zeitlich begrenzt, bis ein verantwortungsvoller palästinensischer Führer – und das wird meiner Meinung nach nicht Arafat sein – zu Verhandlungen bereit ist.