Arbeitslose Arbeitsbeschaffer

Es gibt Arbeitslose, Arbeitsbeschaffer und Arbeitssenatoren. Die einen bekommen, die anderen verteilen, die dritten vergeben Geld. Doch so geht das nicht, fand nun das Kammergericht Berlin

von JÖRN KABISCH

Erst keine Arbeit, und nun auch noch kein Geld. Berliner im zweiten Arbeitsmarkt, deren Jobs vom Land bezuschusst werden, müssen derzeit fürchten, dass sie für ihre Arbeit keinen Lohn bekommen. Nicht, weil kein Geld mehr da wäre, wie man in diesen Zeiten vermuten könnte, sondern weil niemand die Zuschüsse – es handelt sich um einige Millionen – verteilt.

Letzteres ist nicht der Job der Senatsverwaltung für Arbeit, sondern bereits seit 1991 einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) aus drei Servicegesellschaften. Deren Vertrag ist erst im Dezember verlängert worden. Genau diesen Kontrakt hat nun aber das Kammergericht für ungültig erklärt. Zurück auf Start also und Aus für die ABMer?

„Wir stehen zurzeit im rechtsfreien Raum und haben in den letzten Tagen nichts mehr ausgezahlt“, sagt Thomas Kieneke, Geschäftsführer von „Zukunft im Zentrum“ (ziz), einer der drei Servicegesellschaften. Das Geld, das die Arge verteilt, kommt über 20.000 Leuten zugute, die in rund 4.000 Projekten arbeiten – gefördert durch Arbeitsbeschaffungs- über die Strukturanpassungsmaßnahmen bis hin zu Lohnkostenzuschüssen und Leistungen im Zusammenhang mit dem Projekt „Hilfe zur Arbeit“.

Die insgesamt 700 Träger werden zwar auch durch das Arbeitsamt direkt bezuschusst, sind aber dennoch von der Kofinanzierung durch das Land Berlin und der Europäischen Union abhängig. Bei den einzelnen Trägern müsse so eng gerechnet werden, dass auch kurzfristige Liquiditätsengpässe drastische Folgen haben könnten, sagt ziz-Geschäftsführer Kieneke. „Da kann es auch zu Insolvenzen kommen.“

Das Urteil, das den Schlammassel ausgelöst hat, kann man in einem Satz zusammenfassen: Die Arbeitsverwaltung habe den Auftrag an die Arge innerhalb nur eines Tages und damit zu schnell vergeben. Gesetzlich ist aber vorgesehen, dass eine Behörde sich Zeit nehmen muss, um unter verschiedenen Bewerbern den besten und günstigsten auszusuchen.

Für den Vertrag für die Verwaltung der Berliner ABM-Gelder endete die Bewerbungsfrist am 3. Dezember 2001. „Und schon einen Tag später hat die Vergabestelle uns geschrieben, dass sie sich die Arge ausgesucht hat“, erzählt Manfred Schneider Vorstandsvorsitzender der BBJ Consult AG noch immer verwundert. „Wie kann man denn innerhalb eines Tages zwei Angebote prüfen, die aus mehr als vierzig Seiten bestanden?“

Eine Antwort darauf konnte auch das Kammergericht nicht geben. Die Richter erklärten den Vertrag mit der Arge nicht nur für ungültig, sie äußerten in ihrem Urteil auch unverblümte Kritik an der Vergabepraxis in der Arbeitsverwaltung. Sie sei ihrer „Neutralitätspflicht“ nicht nachgekommen.

Nach dem Gesetz wäre nun eine schnelle Neuausschreibung des Vertrages notwendig. Dass die Arbeitsverwaltung das Geld – es handelt sich um einen sechsstellige Summe jährlich – selbst an die 700 Träger anweist, wird von Verwaltungsexperten bezweifelt. Bei Arge kümmern sich darum rund 100 Mitarbeiter.

Doch weil die Neuausschreibung mindestens einen Monat dauern würde, wird in der Arbeitsverwaltung nun eine schnellere Lösung geprüft, die Arbeitssenator Gregor Gysi (PDS) gestern auch im Parlament vorgestellt hat. „Unsere Rechtsauffassung ist, dass die alten Verträge mit der Arge bis zu einer Klärung weiterlaufen“, umschreibt Gysis Sprecher Christoph Lang das Notmodell und gibt zu, dass sein Haus mit der ganzen Situation sehr unglücklich sei. „Aber es kann doch nicht sein, dass die kleinen ABM-Projekte am Ende die Verlierer sind.“