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: Der Schill, der macht, was er will

„Nahaufnahme eines politischen Phänomens“

(Di., 23 Uhr, NDR)

Wie dämlich muss man sein, um Ronald Barnabas Schill als Drogenkonsumenten zu denunzieren? Als die Reporter des NDR-Magazins „Panorama“ Anfang des Jahres mit einem stümperhaften Beitrag den Hamburger Populisten als Koksnase vorführen wollten, übersahen sie zweierlei: Zum einen sollte man nie versuchen, einen Gegner mit Waffen zu schlagen, die der einfach besser beherrscht; zum anderen ist es offensichtlich, dass Schill keine illegalen Substanzen braucht, um sich wie der König von Lummerland zu fühlen. Der Mann ist naturbreit.

In Raymond Leys NDR-Doku wurde das deutlicher denn je. Und es mag dem Unterfangen dienlich gewesen sein, dass dem Sender per einstweilige Verfügung untersagt worden war, die Koksvorwürfe zu wiederholen. So musste man sich subtilerer Mittel bedienen, um den Innensenator zu demontieren. Die Kommentare waren verhalten, dafür wurden entlarvende Szenen aneinander montiert. Da präsentierte sich ein Politiker im Vollrausch der Macht. Gut vorstellbar, dass Schill auf der Reling eines Alsterdampfers krakeelt: „Ich bin der König der Welt!“ Vorerst aber sitzt er im Privatflieger eines Parteifreunds und sagt mit kindlichem Stolz, dass der Stoiber auch immer mit so einem Jet unterwegs sei. Oder schraubt Blitzanlagen ab, um Autofahrer nicht länger dem Diktat von Geschwindigkeitsbegrenzungen zu unterwerfen. Oder poltert über eine Baustelle, auf der ein Gefängnis entsteht, und meckert über den humanen Strafvollzug.

Ley dokumentierte die nassforsche Stimmungsmache und den Narzissmus Schills penibel. So entstand das Bild eines Emporkömmlings, das am aussagekräftigsten war, wenn man den ungelenken Selbstdarsteller einfach ausreden ließ. Einmal lehnte er sich in seinem Sessel zurück und sagte: „Ich bin ein Gegner der Todesstrafe, aber kein leidenschaftlicher. Und ich habe zum gegenwärtigen Zeitpunkt an dem Fortbestand der verfassungsrechtlichen Regelung nichts zu ändern.“ Sprich: Wenn es der Stimmung dient, dürfen gerne ein paar Köpfe rollen. In solchen Momenten offenbarte sich das Erfolgsrezept Schills: ultrabrutaler Pragmatismus. CHRISTIAN BUSS