Der weibliche Typ Osterwelle

Cornelia Pieper hält live, was das Plakat verspricht, und will in Sachsen-Anhalt mindestens Ministerpräsidentin werden

Die Landessprache von Sachsen-Anhalt kennt kein passendes Idiom, aber in Bayern würde dem Beobachter der Cornelia Pieper wohl ein „fesch“ herausrutschen. Weiter nördlich träfen es „kess“ oder „flott“ ebenso.

Obschon nicht allzu groß gewachsen, scheint die FDP-Spitzenkandidatin stets auf dem Laufsteg zu stolzieren. Dauerlächeln, maximale Charme-Emission. Das Outfit kommt hinzu, kürzlich im Wahlkampf ein auffälliges Schwarzrotgold: schwarze Hose, rote Bluse, knallblondes Haar. Nicht nur um die Imageberatung der Düsseldorfer Agentur „107 Grad Communcations“, auch um ihre ständige Chauffeur- und Pressesprecherbegleitung beneiden sie Kandidaten anderer kleiner Parteien.

Kleine Partei? Der Größenwahnsinn hat bei den Liberalen inzwischen Methode und macht auch vor Sachsen-Anhalt nicht Halt. 18 Prozent verkündet Möllemann auch hier, und Frau Pieper will nicht nur mitregieren, sondern gleich Ministerpräsidentin werden. Dafür gibt es nicht nur einen, sondern gleich 18 Gründe, FDP zu wählen.

Nur einen Grund, in Sachsen-Anhalt zu bleiben, hat vorläufig ein junges Pärchen auf einem Wahlplakat, ihre Liebe nämlich. Jetzt suchen sie einen zweiten – Arbeit natürlich. Die FDP setzt ganz offensichtlich auf die Yuppie- oder Möchtegern-Aufsteigerklientel. Nicht allein mit Westerwelles Diskobesuchen. Von den Wahlplakaten zeigt „Conny“ ihre Blend-a-med-Lächelzähne, eine Haarsträhne dynamisch übers linke Auge fallen lassend.

Live hält die 43-jährige Berufsjugendliche aber auch tatsächlich, was das Plakat verspricht. Zumindest vom Aussehen. Vielleicht steht sie deshalb als beste Oppositionskandidatin auf Platz drei der Beliebtheitsskala in Sachsen-Anhalt. Sie ist außerdem in Halle geboren, unbedingt ein Bonus bei dieser Landtagswahl. Wie viel er ausmachen kann, zeigte 1990 der Einsatz des ebenfalls in Halle geborenen Hans-Dietrich Genscher, als die FDP sagenhafte 13,5 Prozent erreichte.

Die Spitzenfrau hat sogar eine kleine DDR-Parteikarriere aufzuweisen: Für Kultur und Bildung war sie im halleschen Bezirksverband der „Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands“ zuständig. Neben ihrer Arbeit als Dolmetscherin für Russisch und Polnisch ging es politisch flott bergauf: bis zum Ausscheiden der FDP 1994 im Landtag, ein Jahr später Landesvorsitzende, drei Jahre später stellvertretende Bundesvorsitzende, im Bundestag seit 1998. Und vergangenen Mai folgte sie als Typ Osterwelle dem großen Vorsitzenden Westerwelle ins Amt der FDP-Generalsekretärin.

Auch dessen Handwerk beherrscht sie inzwischen gut: Null-Aussagen mit größter Entschiedenheit „rüberbringen“. Als sie auf einem großen Wahlforum ihre Mittelstandspolitik als „Arbeitnehmerpolitik“ pries, erhob sich breites Gelächter im Saal. Dennoch sehen die Umfragen derzeit die FDP mit 7 Prozent wieder im Landtag. Über die geläufige Selbstständigenfrage hinaus haben die Liberalen auch die Bildung als Thema wieder entdeckt. Und sie setzen, wie andere auch, populär auf Ost-West-Lohnangleichung.

Bislang hält sich Cornelia Pieper vorsichtig bedeckt hinsichtlich möglicher Koalitionsoptionen mit der Schill-Partei und der CDU. Aus entschiedener Ablehnung ist aber schon eine „Nicht-Dämonisierung“ geworden.

MICHAEL BARTSCH