Alles bleibt besser

Von jetzt an ändert sich das Leben. Aber hallo! Aber sofort! Aber wirklich?

„Wer bin ich?“, „Woher komme ich?“ und „Warum besteht mein Leben aus lauter Niederlagen ?“ Das sind so Fragen. Ich meine, ich erwarte ja nicht, dass mein Leben perfekt ist, aber wenn morgens mein Eierkocher problemlos funktionieren würde, wäre das schon mal ein Fortschritt.

Schon meine Vergangenheit kann man nicht als besonders gelungen bezeichnen. Als ich 13 Jahre alt war, versuchte meine Mutter, mir das Schwimmen beizubringen. Obwohl sie beruflich mit schwer erziehbaren Kindern zu tun hatte, bezeichnete sie dieses Unterfangen abschließend als „die größte pädagogische Herausforderung meines Lebens“. Trotzdem beherrsche ich heute nur so etwas wie „Toter Mann“, was bedeutet, dass ich mich abtreiben lassen kann, ohne in den ersten fünf Minuten unterzugehen.

Einige Jahre später setzten mich meine Eltern im Wald aus und warteten drei Wochen lang, was passiert. Das Ganze nannte sich Ferienlager und es war mindestens genauso schlimm wie Bodenturnen, wie „Gib der Oma einen Kuss“ oder dass unser Schäferhund Ralf hieß. Als ich wieder nach Hause kam, war meine Spielzeugeisenbahn verkauft. Außerdem hatte jemand die Lassie-Poster in meinem Zimmer entfernt.

Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Ich hatte eine schwere Jugend, und jetzt ist es auch nicht viel besser. Deshalb will ich, dass von nun an alles leicht ist. Und Sie müssen das mittragen. Die Leser-Blatt-Bindung ist schließlich keine Einbahnstraße.

Zunächst gibt es Dinge, über die ich nicht mehr diskutieren will, zum Beispiel „Fitnesstrainer sollten keine Hautunreinheiten haben“, „Kalt duschen ist ungesund“ sowie „Verehrer von Jazzmusik sind meistens nicht progressiv, weltoffen und intellektuell, sondern Cordhosen tragende Realschullehrer“. Als unumstößlich gilt außerdem: „Die Geschichtswissenschaften sind die lächerlichsten Wissenschaften von allen“, „Niemand hat guten Sex mit Guido Westerwelle“ und „Du wäschst heute ab“.

Meine Freunde sind ab sofort anregend, aufgeweckt und vermeiden Umzüge. Wenn ich mich zu Fragen und Problemen der Zeit äußere, werde ich sofort verstanden und finde breite Zustimmung. Leicht fällt mir in Zukunft früh morgens aufzustehen; ich werde von nun an alles Notwendige sofort wiederfinden; der Lohnsteuerjahresausgleich – kein Problem. Und Bier macht nicht mehr dick, auch wenn es nicht light ist.

Wenn ich ins Kino gehe, will ich Filme sehen, in denen am Anfang schon alles gut ist und dann immer besser wird: Zwei lieben sich, sie finden ohne Probleme zueinander und alle sind dafür. Auch danach gibt es keine Konflikte. Das Ganze spielt in angenehmer Atmosphäre und ist in wunderschön warmen Farben gedreht, die aber niemals kitschig wirken.

Nach dem Kino geht man dann mit der Liebsten nach Hause und sagt: „Ich setze mich noch mal schnell an meinen Roman“, und am nächsten Morgen ist er fertig. Beim Frühstück trifft man sich wieder und fragt: „Und wie war die Nacht für dich, Schatz ?“ – „Oh, ich habe gut geschlafen. Ach ja, ich habe eben den Eierkocher repariert. Er funktioniert jetzt wieder.“ – „Tatsächlich?“ – „Ja, und es war ganz leicht.“ JAN ULLRICH