Kabul hat seinen König wieder

Exkönig Sahir Schah kehrt unter strengen Sicherheitsvorkehrungen aus seinem römischen Exil nach Afghanistan zurück, wo er im Juni die große Ratsversammlung eröffnen soll. In Kabul werden ihn zunächst italienische Carabinieri weiter beschützen

aus Delhi BERNARD IMHASLY

Afghanistans Exkönig Sahir Schah ist gestern nach 29 Jahren Exil in seine Heimat zurückgekehrt. Der 87-Jährige war am Mittwoch von Rom nach Taschkent aufgebrochen. Von dort flog ihn die italienische Luftwaffe gestern nach Kabul, wo er am späten Morgen landete. Er wurde vom Interimskabinett und Stammesführern begrüßt. Selbst der Warlord Raschid Dostum wartete mit Blumen. Einige tausend Afghanen säumten die Straße zum neuen Wohnort des Exkönigs, aber ihre Begeisterung war nicht zuletzt wegen der starken Sicherheitsmaßnahmen begrenzt.

Der Exkönig wurde von Interimspremier Hamid Karsai und Vertretern der italienischen Regierung begleitet. In seinem Gefolge befanden sich auch seine drei Söhne, der Schwiegersohn General Abdul Wahi und sein Enkel Mustafa. Seine Gattin Homaira war aus Gesundheitsgründen nicht mitgereist. Zur Delegation zählte auch ein 40-köpfiges Sonderkommando der Carabinieri. Diese werden drei Monate die Leibwache des greisen Monarchen stellen, der in seiner Villa im Kabuler Diplomatenviertel auch von 150 afghanischen Polizisten beschützt wird.

Sahir Schahs Rückkehr war aus Sicherheitsgründen bereits zweimal verschoben worden. Im März musste er auf die Reise verzichten, weil ein konkreter Attentatsverdacht die US-Regierung bewogen hatte, Italien um den persönlichen Schutz des Exkönigs auch in Afghanistan zu bitten. Die Vorbereitungen dazu verzögerten den Rückflug um einen Monat. Nach Angaben der internationalen Friedenstruppe Isaf hat sich die Sicherheitslage in Kabul verbessert. Die jüngsten Zwischenfälle – Beschuss von Patrouillen, Raketenangriff auf eine Isaf-Kaserne und auf US-Einrichtungen in Khost und Kandahar, Attentatsversuch auf Verteidigungsminister Fahim – sprechen allerdings eine andere Sprache. Gefahr droht dem Exmonarchen und der Regierung nicht nur von untergetauchten Taliban, sondern auch von ehemaligen Mudschaheddin wie Gulbuddin Hekmatjar und sogar von Strömungen innerhalb der regierenden Nordallianz.

Diese wird von der zweitgrößten ethnischen Gruppe der Tadschiken dominiert. Sahir Schah dagegen ist wie Regierungschef Karsai Paschtune. Seine Präsenz könnte dieser größten Ethnie das Gewicht zurückgeben, das ihr mit etwa 40 Prozent Bevölkerungsanteil zukommt. Sie hatte es eingebüßt, weil sie mit den Taliban identifiziert wurde, die selbst überwiegend Paschtunen waren. Die Große Ratsversammlung (Loja Dschirga), die im Juni zusammentreten soll, ist der erste Schritt zu einer größeren Repräsentation und Legitimität staatlicher Institutionen. Die wichtigste und einzige Rolle, die das Bonner Afghanistan-Abkommen für Sahir Schah vorsieht, ist die Eröffnung der Loja Dschirga.

Dies ist auch das einzige Motiv für den als Privatmann zurückgekehrten Exkönig. „Das politische Vakuum muss gefüllt werden“, sagte er im November, „die Zukunft des Landes liegt in der Loja Dschirga.“ Die meisten Afghanen machen sich keine Sorgen über mögliche Machtambitionen Schahs, doch misstrauen sie seiner Familie, besonders seinem Enkel Mustafa. Der versuchte in den letzten Monaten, die internationale Aufmerksamkeit seines Großvaters für sich zu nutzen. Die Regierung weist Spekulationen über eine Rückkehr zur Monarchie zurück. Karsai nannte Schah „eine außerordentliche Person, und einen gewöhnlichen Bürger. Er ist ein Symbol der Einheit Afghanistans, eine Vaterfigur“.

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